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Von Sternenstaub und Endlagern

Was haben Astrophysik und schwedischer Granit gemeinsam? Mehr als man denkt. Es klingt sehr lyrisch, aber wir und alles um uns herum bestehen aus Sternenstaub - geboren inmitten eines sterbenden Sterns. Und wer das verstanden hat weiß auch wo in kosmologischen Größenordnungen Energie produziert wird.

Dazu gehören zwei Grafiken, die sich auf Wikipedia: Valley of Stability finden lassen:

Bindungsenergie nach häufigen Isotopen
Bindungsenergie nach häufigen Isotopen
Bindungsenergie nach Protonen- und Neutronenzahl
Bindungsenergie nach Protonen- und Neutronenzahl

In der zweidimensionalen Grafik ist die nukleare Bindungsenergie der Elemente aufgetragen, in der dreidimensionalen noch die Isotope als dritte Dimension. Sterne erzeugen bekanntlich ihre Energie aus Kernfusion, und da vor allem aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium. Wie man an der Grafik sieht wird ist hier der Energiegewinn aus der Differenz der Bindungsenergie am größten. Wenn der Stern dann altert und sich der Wasserstoffvorrat im Kern erschöpft, kann bei entsprechend höherem Druck und Temperatur auch noch Helium zu Sauerstoff etc. fusioniert werden, die Energieausbeute ist dann aber deutlich geringer weil wir uns schon tiefer im Tal der Stabilität befinden. Dadurch dauern die nächsten Fusionsstufen immer kürzer, die letzte bis zu Eisen und Kobalt vielleicht gerade noch einen Tag. Tja, und dann ist die Energiequelle alle weil Eisen die größte Bindungsenergie hat. Und dann übernimmt die Kraft die im Universum ultimativ den Ton angibt: Gravitation. Die spielt im menschenüblichen Maßstab keine Rolle - die Anziehungskraft zwischen Kugelschreiber und Hand ist vernachlässigbar - aber im kosmischen Maßstab ist die Gravitation unerbittlich. Und wenn die Eisenkugel groß genug ist dann quetscht die Gravitation die einfach zusammen - und zwar sehr klein. Und dabei wird dann so viel Energie frei, dass die dabei entstehenden Photonen mehr Energie haben als die Bindungsenergie der Eisenatome - was davon getroffen wird wird wieder auseinandergesprengt. Die Neutronenfluss- und Energiedichte ist dann so hoch, dass sich immer mehr Neutronen an die Atomkerne anlagern und dadurch - und nur dadurch - entstehen alle schwereren Elemente als Eisen. Und weil die implodierenden Außenschichten des Sterns am massiven Neutronenkern abprallen und die Energie auch in Neutrinos freigesetzt wird, die zwar normalerweise kaum mit normaler Materie wechselwirken aber in dieser gigantischen Menge doch wie Sprengstoff wirken explodiert die ganze Chose und die ganzen schweren Elemente verteilen sich mit den nicht fusionierten Außenschichten aus Wasserstoff und leichteren Elementen als Wolke - und die Wolke zieht sich dann irgendwann wieder zu einem neuen Stern mit Planeten zusammen.

Die Materie aus der wir bestehen ist also während dieser Supernova entstanden, aber was hat das jetzt mit schwedischem Granit zu tun? Das Tal der Stabilität hat eben Gefälle nach zwei Seiten. Man kann entweder Energie aus Fusion erzeugen - was bisher nur bei Wasserstoffbombenexplosionen und im ganz kleinen Maßstab funktioniert hat und was im ITER-Testreaktor in etwa 20 Jahren zum ersten Mal kontrolliert mit positiver Energieausbeute funktionieren soll - oder man nutzt die Energiedifferenz von der anderen Seite aus. Das hält uns sprichwörtlich den Hintern warm, denn eine der Ursachen warum der Erdkern so heiß und flüssig ist liegt im Zerfall der dort vorhandenen schweren Elemente. Dazu gibt es noch eine dritte Grafik mit der die ganze Geschichte mit Isotopen und Radioaktivität intuitiv verständlich wird, nämlich die gleichen Achsen, diesmal aber mit der Halbwertszeit:

Halbwertszeiten nach Protonen- und Neutronenzahl
Halbwertszeiten nach Protonen- und Neutronenzahl

Kurz und gut: Alles was hinter der Polonium-Lücke (das ist der dunkelblaue Balken bei 130 Neutronen) liegt ist spaltbar, entweder direkt oder nach Transmutation ("Erbrüten") durch Neutroneneinfang und damit prinzipiell eine Energiequelle. In der Grafik sieht man auch, dass die Isotope eines Elements umso instabiler - und damit radioaktiver - werden umso weiter man sich vom Talgrund der Stabilität entfernt. Und nebenbei versteht man noch, wonach gesucht wird wenn in Beschleunigern die superschweren Elemente erzeugt werden: weil man mit steigender Protonenzahl immer mehr Neutronen braucht um einen möglichst stabilen Atomkern zu bekommen kann man durch eine Kollision zweier leichterer Kerne nur einen "zu leichten" Kern bekommen der eben eine sehr kurze Lebensdauer hat. Die Theorie sagt im Bereich von Element 117 sogar einen recht stabilen (Halbwertszeit vielleicht 1000 Jahre) Kern voraus wenn man genügend Neutronen zusammenbekommt was im Moment technisch aber nicht möglich ist.

Nach diesem Exkurs zurück zur praktischen Realität: Der Mensch bezieht im Moment den Mammutanteil seiner Energie aus der chemischen Reaktion:

CHx + O2 ⇒ CO2 + H2O

Die Ausgangsmaterialien - also Kohlenwasserstoffe und Sauerstoff - wurden aber im Laufe der Erdgeschichte von Pflanzen irgendwann mal in der Umkehrung des Pozesses aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenergie erzeugt und sind begrenzt, wenn man von den negativen Folgen der Kohlendioxidfreisetzung mal absieht. Was ich damit sagen will: Die Frage wie man die Elemente am äußersten Ende des Stabilitätstals für eine Million Jahre sicher verbuddeln soll, stellt sich eigentlich nicht. Es gibt jetzt ja auch niemanden, der Kohle und Erdöl verbuddelt. Selbst wenn man die darin enthaltene Energie nicht jetzt nutzen will, wird das in absehbarer Zeit sicher jemand machen wollen, man braucht also kein "Endlager". Es beißt eben keine Maus einen Faden ab dass wir in Zukunft Energiequellen benötigen denn unser Wohlstand ist direkt an den Energieverbrauch gekoppelt und da von den (sieben?) Milliarden Menschen der Großteil eben vom Energieverbrauch eines Menschen in den Industriestaaten noch weit entfernt ist ist es illusorisch anzunehmen wir könnten diesen Menschen auf ewig den Zugang zu Energie verwehren. Wenn also chemisch aus klimatologischen Gründen nicht geht (und außerdem begrenzt ist, ich sage nur Ölkrise), Fusion zu aufwändig ist - dann bleibt eben nur das schwere Ende des Stabilitätstals. Also eben nicht verbuddeln, sondern die Instabilität (was ja die Ursache der Radioaktivität ist) ausnutzen. Die Grafik verrät bei genauerem Hinsehen noch etwas: Spaltet man einen Kern mit ca. 140 Neutronen (dunkelrot: lange Halbwertszeit, die berühmte Million Jahre) in zwei Teile die etwa die halbe Masse haben (also ca. 70 Neutronen) gibt es in diesem Bereich so gut wie keine orangen Punkte, sondern nur schwarz (stabil) oder blau bis gelb (zerfällt innerhalb von Tagen bis ein paar Jahren). Und genau diese orangen Punkte sind es ja die den Transuranabfall so langlebig und deshalb ja erst diesen langen Zeitrahmen für ein Endlager nötig machen.

Wir können da von Glück sagen, dass eben mit Thorium-233 und Uran-238 zwei sehr langlebige Isotope am schweren Ende dabei sind die in großen Mengen die fünf Milliarden Jahre seit der Supernovaexplosion überdauert haben. Das Uran-235 ist ja schon fast ganz zerfallen und nur noch mit 0,35% im Uran enthalten. Man muss eben nur einen Weg finden wie man diese Spaltung sicher durchführen kann.

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