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INTJ-freie Zone

Manchmal geben einem auch gerade die kleineren Vorkommnisse im Leben einen Einblick davon, wie allein man als INTJ in dieser Welt mit 98% nicht-INTJs ist. Als ich meine Pizza abholen wollte, saß am Tisch eine Gruppe aus meiner Kleinstadt: vier Geschäftsinhaber, ein Lehrer und ein Tierarzt. Also eigentlich eher gehobenes Niveau. Sie diskutierten die gewalttätigen Demonstrationen rund um den G20-Gipfel in Hamburg und dass diese so eskaliert seien. Das war so lautstark, dass ich es mir nicht verkneifen konnte mich einzumischen und eine Zwischenfrage zu stellen. Ich hatte nämlich in der Onlineausgabe der SZ gelesen, dass die Polizei (respektive der Einsatzleiter) mit ihrer Strategie an der Eskalation mitbeteiligt war. Die Quelle ist seriös und die dort vertretene Meinung nachvollziehbar. Die ganze Wahrheit lässt sich sowieso nicht in einen Satz packen. Was aber mal wieder typisch Nicht-INTJ ist, war die Reation am Tisch: Mein Argument wurde direkt niedergekämpft, weil eben die Autonomen die Bösen und die Polizei die Guten sind. Auch mein zweiter Einwurf: "Zu einer Eskalation gehören immer zwei" erlitt das gleiche Schicksal.

Das ist eben der große, große Unterschied zwischen INTJs (und wahrscheinlich ein paar anderen Ns) und dem Rest der Welt: Ein INTJ hätte bei einem Argument, dass seiner Weltsicht widerspricht zuerst einmal geschwiegen, eine ambivalente Antwort gegeben, das Smartphone gezückt und dieses neue Argument gründlich geprüft. Oder zumindest nachgefragt, ob dieses mit weiteren Fakten untermauert werden kann - vorausgesetzt, dass unser durch Ni geboostetes Gedächtnis keine gegenteiligen Fakten auf Lager hat. Die Denkweise eines INTJ distanziert sich so sehr von seinem persönlichen Standpunkt, dass Argumente immer als eine mögliche Wahrheit in Betracht gezogen werden, weitgehend unabhängig von Glaubenseinstellungen. Denn wie ich oben gesagt habe: Bei solch komplexen Themen gibt es - auch wenn das viele Menschen gerne so hätten - eben keine klare, absolute Wahrheit, sondern nur Facetten eines Komplexes.

Wenn ich den Link schon hier platziere, dann muss ich auch noch was zur Sache selbst sagen: Es gab sicher Menschen an dem Wochenende in Hamburg, die den Krawall wollten und das war auch nicht zu verhindern. Die Frage ist jedoch, wie wieviele grundsätzlich gewaltbereite Menschen durch die Aktionen der Polizei spontan den Entschluss gefasst haben, zum Pflasterstein zu greifen. Das heißt: das Ausmaß der Eskalation ist grundsätzlich von der Polizei beeinflussbar. Außerdem gab es ja eine Mehrzahl an friedlichen Demonstranten, die ja eigentlich den Schutz der Polizei verdient hätten und sich dann auch auf die Seite der Ordnung gestellt hätten. Wenn der Artikel stimmt, wurde aber diese Gruppe von der Polizei ebenfalls angegriffen.

Dieser grundsätzliche, ständige Zweifel an seiner persönlichen Version der Wahrheit gehört zum INTJ. Alles lässt sich durch neue Erkenntnisse revidieren - und genauso wenn irgendwo ein Fehler auftritt, suche ich den zuerst einmal bei mir selbst. Dank dieses ständigen Prüfungsprozesses ist es aber dann so, dass das was wir als wahr ansehen und kommunizieren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch wahr ist - aka INTJs haben immer Recht. Oder wir sagen von vornherein, das dies nur eine subjektive, mögliche Aussage ist.

Und zurück zur Überschrift: Wenn es nichtmal in dieser gehobenen Gruppe aufgeschlossenes Denken gibt, dann ist meine Kleinstadt und der Landstrich hier wirklich eine INTJ-freie Zone.

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