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If you have someone over a barrel ...

... you have to shake him. Für diese Redewendung gibt es keine Entsprechung im Deutschen, die beste Näherung dürfte sein: "Wenn Du erst mal den kürzeren gezogen hat, bist Du am Arsch". Daran musste ich jetzt mächtig denken nachdem ich ein Geplänkel mit der Firma Herbert Geissler aus Reutlingen hatte. Ich hatte ja eine zweite Canon 60D gekauft um das Kochvideo zu machen, die hat mich auf Ebay im Sofortkauf 225 Euro gekostet. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass die Kamera wohl mal beim Service war und die haben vergessen, den Servicemodus auszuschalten. Deshalb erwartet die am USB-Anschluss das Serviceprogramm und man kann keine Bilder herunterladen. Was auf die Dauer lästig ist. Das habe ich so schon herausgefunden und auch, dass man das mit dem (proprietären) Serviceprogramm mit ein paar Klicks zurückstellen kann. Fertig.

Ich konnte die Verkäuferin deswegen um 25 Euro herunterhandeln, hatte aber von Anfang an das Gefühl, dass das Problem dafür nicht zu beheben ist. Man kann das Serviceprogramm für die Kamera kaufen, das kostet aber 180 Pfund oder so. Mit dem Canon-Werkskundendienst hatte ich schon mal das Vergnügen, das dauerte Wochen bis ich die Kamera zurückbekam. Also kam ich auf die Idee, es bei einer Vertrags-Servicewerkstätte zu versuchen, eben der obengenannten Firma Geissler.

Hinschicken mit GLS ist günstig, das kostete 4,50 Euro, das war am Montag, dem 15. Juni. Zugestellt wurde es am nächsten Tag um 13:10 Uhr. Natürlich mit einer genauen Fehlerbeschreibung und dass ich nur den Servicemodus ausgeschaltet haben will. Die Firma verspricht auf der Webseite eine Reparatur innerhalb von fünf Tagen, sofern die Ersatzteile verfügbar sind. Es wurde Dienstag abend am 22. als ich einen Kostenvoranschlag bekam und da dachte ich, ich breche ab. Die wollten inklusive Steuer 85,09 Euro dafür haben. Als Reparaturleistung haben sie aufgeführt:

  • D17 Reinigung: CCD/CMOS
  • D61 Allgemeine Reinigungsarbeiten
  • D62 Funktionsüberprüfung durchgeführt

für 60 Euro, den Rückversand für 11,50 und darauf noch die Mehrwertsteuer. Holla.

Ein Problem für mich als INTJ - oder auch die Stärke, wie immer hängt es vom Standpunkt ab - ist ja die Fähigkeit, Zusammenhänge praktisch neutral unbeeinflusst vom eigenen Standpunkt zu sehen. Dazu gehört auch, welche Bezahlung für welche Leistung als "fair" angemessen ist. Ich hatte hier schon mal angeschnitten, dass ich in meiner Firma oft Servicearbeiten weit defizitär gemacht habe, entweder weil ein höherer Preis unangemessen oder nicht in Relation zum Ursprungspreis des Produktes wäre oder weil man ja den Aufwand, die Reparaturtechnik zu erlernen nicht voll auf den Preis umlegen sollte. Und es spielt auch eine Rolle welchen Preis der Kunde für angemessen hält. Fairness ist also ein sehr subtiler Begriff.

In dem Fall ist der Fakt, dass mit der genauen Fehlerbeschreibung die "Reparatur" keine fünf Minuten dauert. Seien wir großzügig und machen zehn daraus mit dem Papierkram. Bei 100 Euro Stundensatz - das ist schon heftig - wären das 16,66 Euro. Beim Versand ist der Karton ja noch vorhanden, und 6,50 sind ein normaler Versandkostenpreis - inklusive Steuer. Die 13,68 Euro sind da klarer Wucher und der Versuch, mir noch eine "Reinigung" anzudrehen erinnert stark an die KFZ-Werkstätten die es immer schaffen, eine ganze Flasche Scheibenreiniger einzufüllen, selbst wenn der Behälter vorher randvoll war. Den CCD-Sensor habe ich selbst gereinigt nachdem ich die Kamera bekommen habe, das ist nicht sonderlich kompliziert.

Das Problem ist nun aber, dass die die Kamera sozusagen als Geisel haben und man der Sache praktisch ausgeliefert ist - man hängt über dem sprichwörtlichen Fass im Titel. Ich habe mich natürlich beschwert, auch weil einen weiteren ganzen Tag nachdem ich sofort auf den Kostenvoranschlag geantwortet habe nichts passiert ist. Und ich möglichst am nächsten Wochenende ein weiteres Kochvideo drehen will. Man hängt sowieso drin weil selbst wenn Sie nichts machen dafür 20 Euro plus den Rückversand haben wollen, alleine für den Kostenvoranschlag. Das erinnert mich stark an die genauso hilflose Situation als ich ein Zahnimplantat brauchte und die Arztpraxis alleine für das Angebot schon ein paar hundert Euro verlangt hat.

Die Begründung der Dame die dann zurückgeschrieben hat, war ziemlich pathetisch. Man müsste die Kamera reinigen um sicherzugehen dass diese nach der Prüfung in einwandfreiem Zustand sei. Da gab es nichts zu prüfen und ich hoffe doch sehr, dass sie wegen einer Softwareeinstellung nicht die ganze Kamera zerlegt haben. Sie sind dann auf 40 + MwSt. Euro runtergegangen und dann auf ausdrücklichen Kundenwunsch ohne Reinigung. Wenn das so formuliert wird, dann befürchtet man allen Erstes dass da jemand aus Rache noch seinen Finger "versehentlich" auf den Sensor drückt. Kurz und gut: Es ist grässlich, total überteuert und irrsinnig lahm in der Bearbeitung, gemessen an der exakten Fehlerbeschreibung und dem Aufwand zur Fehlerbehebung. Wenn ich bedenke, dass mir Kunden irgendwelche zerbrochenen Teile unter die Nase halten und weder wissen was die genaue Bezeichnung des defekten Teiles ist und auch nicht wann sie es gekauft haben so dass ich die Rechnung selbst heraussuchen könnte. Mal abgesehen davon dass ich die Unterlagen mittlerweile weit länger als die geforderten zehn Jahre aufhebe nur damit ich in solchen Fällen herausfinden kann worum es geht.

Wenn man also deren Service auf die Stunde umrechnet, dann bekommt man ja einen der teureren Anwälte am Bundesgerichtshof dafür. Und die Begründung, dass ja erst sechs Arbeitstage vergangen seien und wegen der "Corona"-Situation - ich weiß von mehr als einer Firma, die voll in die Tasche der staatlichen Hilfen gegriffen haben und ihre Löhne vom Staat zahlen lassen (Kurzarbeitergeld) obwohl genug Arbeit da wäre.

Ich konnte es mir nicht verkneifen, das in einer etwas entschärften Form zu schreiben:

Sehr verehrte Frau [XXX],

ich erspare mir einen weiteren Kommentar. Je nach Branche handeln Firmen eben sehr unterschiedlich und manchmal frage ich mich ob und wie viel ich mehr verdienen würde wenn ich eine ähnliche Strategie umsetzen würde. Wahrscheinlich nicht, meine Branche verzeiht das nicht, ihre schon, da ist das wohl normal.

Bitte führen Sie dann die Rücksetzoperation wie beschrieben für 40 Euro durch plus Etcetera.

Mit freundlichen Grüßen

Die Reparaturbranche agiert eben so, zur Entlastung der Firma muss man sagen dass die anderen es nicht anders machen. Aus kapitalistischer Sicht ist das ja auch richtig, der Kunde benötigt die Reparatur, es gibt keine andere Alternative und dann kann man alles verlangen was irgendwie gerade noch wirtschaftlich vertretbar ist. Aus sozial- und ethikökonomischer Sicht ist das natürlich grässlich, wenn ein elektronisches Gerät was nur einen vergleichsweise kleinen Fehler hat sofort unwirtschaftlich zu reparieren ist - eine gebrauchte Kamera dieses Alters gibt es ja schon für um die 200 Euro. Kein Wunder, dass wir in dieser Wegwerfgesellschaft leben. Im Gegensatz zu Reparaturen gibt es einen erbarmungslosen Preiskampf bei Neuware.

Ganz kann ich mich jetzt nicht davon freisprechen. Ich musste jetzt ein leckgeschlagenes Wasserbett reparieren. Anfahrt, Leerpumpen, flicken, reinigen und füllen und Abfahrt hat zwei Stunden gedauert. Dazu kommt noch die Auftragsannahme und die Rüstzeit, also Auto laden und entladen. Und ich habe noch eine halbe Flasche Reiniger gebraucht den ich sonst für 17 Euro verkaufe. Ich habe mir dafür 160 Euro geben lassen. Ist das angemessen oder überteuert? Man sollte vielleicht dabei auch berücksichtigen, wie das Bett aussah:

Leckgeschlagenes Wasserbett während der Reinigung
Leckgeschlagenes Wasserbett während der Reinigung

(Das braune sind Hautschuppen vom Kunden, mehrere Tage lang in warmem Wasser ausgebrütet)

Ich überlasse es jetzt dem Betrachter des Bildes zu entscheiden ob die 160 Euro ein fairer Preis waren oder nicht. Ich war vor zwei Wochen beim Friseur, das hat 15 Minuten gedauert und 24 Euro gekostet. Damit liege ich also deutlich darunter. Mein Geschäftsmodell - oder jedenfalls wie ich es verstehe - basiert eben darauf, dass ich meine Kunden stets fair und großzügig behandele und sie mich deshalb weiterempfehlen. Es wird immer welche geben die anderer Meinung sind, aber die Anzahl der zufriedenen Kunden ist groß genug damit das System funktioniert und diese den dafür geforderten Preis ebenfalls als fair betrachten. Die Frage stellt sich: mache ich das richtig, oder bin ich blöd und verkaufe mich unter Wert?

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Nachdem das hier jetzt eindeutig zu viel ist um es in ein simples Postscript zum ersten Artikel: If you have someone over a barrel ... zu packen, gibt das hier einen eigenen Artikel. Am Samstag, zwölf Tage nachdem ich sie eingeschickt habe, hatte ich die

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