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US-Wahl und Persönlichkeitspsychologie

Bei dem ganzen Hickhack um den Ausgang der US-Wahl fällt vordergründig auf, dass das Land ja tief gespalten in Trump-Gegner und Trump-Befürworter ist. Was hingegen erst im Hintergrund zu erkennen ist: das hat sehr viel mit Persönlichkeitspychologie zu tun, genauer mit dem Konflikt zwischen Sensor (S)- und Intuitiven (N) Typen. Für diejenigen für die das Thema neu ist: Dieser Dipol beschreibt den Stellenwert von Gegenwart auf der einen und Vergangenheit und Zukunft auf der anderen Seite. Mit einfachen Worten: Sensortypen leben im hier und jetzt während Intuitive basierend auf der Vergangenheit möglichen Zukunftsszenarien großes Gewicht bei ihren Entscheidungen geben.

Um das mit einem Beispiel zu illustrieren: Ein Kunde kommt in den Laden, hat einen Defekt den nur wir reparieren können. Die eine Denkweise ist: "Prima, der ist von uns abhängig, wir haben die Oberhand, also nutzen wir das aus und kassieren maximal ab." Das ist die Strategie die im hier und jetzt den größten Profit verspricht. Die andere Möglichkeit wäre, dem Kunden kulant entgegenzukommen und hier wesentlich weniger oder gar nichts zu verlangen. Weil uns eben der Kunde vielleicht in seinem Bekanntenkreis weiterempfiehlt und wir uns durch unser Verhalten als guten, kulanten Partner empfohlen haben. Diese Strategie ist im Moment mit Verlust verbunden, bietet aber in verschiedenen möglichen Zukunftsszenarien einen langfristigen Profit.

Man kann das ganze jetzt etwas verallgemeinern: S-Typen nehmen den sprichwörtlichen Spatz in der Hand, N-Typen schielen auf die Taube auf dem Dach. Das schlimme dabei ist, dass manche Entscheidungen langfristige Folgen haben, man nehme nur den Klimawandel. Natürlich kann man unseren Lebensstil einfach weiter verfolgen, wenn ich mit dem Auto dreimal um den Block fahre bekomme ich ja nicht postwendend einen Starkregen oder eine Hitzewelle. Und es gibt ja genügend Menschen die genau so denken: Einschränkungen unseres Lebenswandels treffen uns jetzt und sicher, ob der Klimawandel jetzt menschengemacht ist oder nicht ist ja nicht wirklich bewiesen oder gar Fake News. Als N-Typ denke ich da aber ganz anders: Selbst wenn es eine natürliche Ursache geben könnte, für den Fall dass es doch menschengemacht ist sollte man das Desaster nicht riskieren sondern etwas dagegen unternehmen. Man kann es auch mit Religion vergleichen: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wissen tut das niemand. Aber für den Fall, dass die Religionen doch recht haben sollte man für diesen Fall vorsorgen und sich moralisch verhalten. Man verliert dann vielleicht im Leben etwas Spaß, aber wenn man falsch liegt und es die ewige Verdammnis doch gibt ... sorgt man besser vor.

Das ist aber typisches Intuitiven-Denken und hier prallen die Fronten mit voller Wucht gegeneinander, weil zumindest die Sensoren die Intuitiven nicht verstehen oder einfach für doof halten. Beispiele gibt es aber genug, man braucht ja nur auf die Corona-Demos zu schauen wo sich letztens in Leipzig 20.000 Menschen unter völliger Missachtung der Hygieneregeln zur größten Coronaparty ever getroffen haben. Selbst wenn man alles rund um das Virus nicht als bewiesen annimmt, würde ich mich doch daran halten: Eben für den Fall, dass die Wissenschaftler doch recht haben ...

Zugegebenermaßen fällt es schwer, sich immer für die langfristige Variante zu entscheiden, manchmal kämpfe selbst ich damit oder hadere damit immer die vermeintlich "doofe" Alternative wählen zu müssen. Nur ist das eben zwingend die intelligentere Entscheidung. Was aber in Amerika extrem ins Auge sticht ist das Extrem zudem das egozentrische Leben im Moment führt: Alles was nicht in den Kram passt wird dann einfach zu "Fake News" abgestempelt oder wie im Fall der Wahl: wenn ich verliere, dann haben die anderen eben betrogen, es kann eben einfach nicht sein dass ich verliere und eine Mehrheit der Briefwähler für meinen Gegenkandidaten stimmen. Dass es dafür eine logische Erklärung gibt und ich das sogar selbst schuld bin - weil ich meine Anhänger dazu aufgerufen habe ins Wahllokal zu gehen - wird dann völlig ausgeblendet.

Für die Intuitiven ist das ganz anderes: Diese leben in einer Welt der Möglichkeiten - und sind dadurch gleichzeitig auch viel kritischer, besonders die Introvertierten. Während für manche gleich alles die letzte Wahrheit ist was mein Lieblings-Fernsehsender / Homeshopping-Kanal / Präsident etc. sagt, zweifelt ein Intuitiver erstmal alles an. Ich wage deshalb auch mal zu behaupten, dass die Enkeltrick-Betrüger bei einem Intuitiven schlechte Karten hätten, da kann ja einer anrufen und viel erzählen wenn der Tag lang ist - aber man prüft ja immer erst mal nach ob das was der erzählt überhaupt stimmen kann. Nur wenn die Story plausibel ist handelt man dementsprechend. Und dieses kritische Denken setzt sich ja auch konsequent bis zur Selbstkritik fort. Von außen sieht man das nicht immer und durch die S-Brille betrachtet kann man sich aus der Fülle der Negativausdrücke einen aussuchen: Arrogant, überheblich, von sich selbst überzeugt, Träumer, Idealist .. in Wahrheit schließt man nie aus selbst einen Fehler gemacht zu haben wenn etwas schief läuft.

Und weil die Mehrheitsverhältnisse dann auch noch klar zugunsten der S-Typen verteilt sind kann man als Intuitiver schon mal mit seinem Schicksal hadern. Man hat immer die Außenseiterposition inne und die Häme der Mehrheit ist einem sicher. Manchmal kann man sich dann gut vorstellen, wie schön die Welt doch sein könnte wenn es anders herum wäre und man in einer Gesellschaft leben würde in der es eben nur Intuitive gibt.

Nur ein anderes Rätsel kann ich nicht lösen: Warum nimmt man seinem Präsidenten nicht übel wenn dieser lügt? Das hat ja was mit Loyalität und Integrität zu tun und jemand der mich anlügt ist bei mir unten durch, praktisch auf ewig. Man kann sich auf so jemanden einfach gar nicht verlassen ob die nächste Aussage denn stimmt oder auch gelogen ist. Und seine Anhänger können die Lügen ja auch nicht alle glauben, dafür sind diese ja noch in sich selbst widersprüchlich und enttarnen sich damit zwangsläufig. Und die dritte Alternative wäre, dass er gar nicht lügt sondern das sagt was er selbst für wahr hält. Das bedeutet aber im Umkehrschluss eine außerordentliche Dummheit ("man könnte doch Desinfektionsmittel spritzen, das tötet doch das Virus?") und so jemandem würde ich auch nie folgen. Es muss aber eine Kombination von kognitiven Funktionen geben, bei der das alles akzeptabel ist. Vielleicht etwas in der Linie von: "Er ist einer von uns, er macht was ich in der Situation auch machen würde". Na denn, Prost Mahlzeit.

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Kommentare

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Christine Schmitt am :

Hälst du das für tatsächlich möglich, das die Befürworter von Trump zwangsläufig S Typen sein müssen?
LG Christine

Stephan Brunker am :

Seine "Anhänger" schon, also diejenigen die ihm fanatisch folgen und wahrscheinlich auch noch den ganzen Stuss glauben den er von sich gibt. Jeder der mit Weitsicht ausgestattet ist kann ja sehen dass sein Weg langfristig in vieler Hinsicht schädlich ist, man nehme nur den Freihandel und die Umweltpolitik. Dann gibt es noch die Opportunisten, also diejenigen die ihn weiter an der Macht sehen würden weil er die Politik gemacht hat von der sie persönlich profitiert haben, sehr viele Großverdiener zum Beispiel weil er die Steuern gesenkt hat und denen die Folgen aus Profitgier egal sind, das fällt dann unter "eiskaltes Kalkül", leider eine der Negativseiten von NT-Persönlichkeiten.

Putin ist so ein interessantes Beispiel. Die beiden sind ja in Helsinki aufeinandergetroffen und Putin (INTJ, was sonst ...) hat Trump von vorne bis hinten an der Nase herumgeführt. Das war auch von seiner Seite von langer Hand geplant, vermutlich hatte er ja auch bei der Affäre um die Clinton-Emails die Finger im Spiel um eben jemand leicht beeinflussbares auf den Stuhl des US-Präsidenten zu befördern.

Ein Argument der Rechten war ja, dass ein "Sozialismus" droht wenn Biden oder gar Harris an die Macht kämen. Wir Deutsche müssten tatsächlich mal Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Petra Pau auf PR-Tour in die USA schicken damit die mal lernen was "Sozialismus" und linke Politik eigentlich ist. Es war aber Henry Ford der richtig erkannt hat, dass Absatzmärkte dadurch entstehen wenn die Arbeiter genügend Geld haben um die einheimischen Produkte zu kaufen. Insofern ist die in Deutschland erfundene soziale Marktwirtschaft in Realität ein Wirtschaftsmotor. Wenn man einem Armen Geld gibt, dann wird er es ausgeben. Wenn ein Reicher noch Reicher wird dann kauft er sich deshalb nicht mehr Brötchen morgens zum Frühstück. In den USA gibt es noch nicht mal Mutterschaftsurlaub und maximal zwei, drei bezahlte Krankheitstage im Jahr ...

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