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Gruppendynamik

Da ich ja inzwischen recht anglophil bin habe ich viel von den zwei Ereignissen in den USA mitbekommen, die zwar sehr verschieden sind, aber trotzdem so viel gemeinsam haben: Den geleakten Entwurf des Obersten Gerichtshof um das Abtreibungsurteil zu kippen und dem Amoklauf in der texanischen Grundschule.

Der gemeinsame Faktor ist, wie sehr doch Menschen gruppenmäßig denken und welche Auswirkungen das hat. Und dass die Menschheit sich in ein Spektrum aufspaltet, es aber in der Beziehung ein fundamentales Ungleichgewicht zwischen den Rändern des Spektrums gibt. Klingt etwas verklausuliert, aber Erläuterung folgt.

Wie ein Kommentator das treffend formuliert hat: Die Republikanische Partei schützt Kinder, aber nur bis zum Zeitpunkt ihrer Geburt. Danach sind sie legale Ziele für mit Sturmgewehren bewaffnete, durchgeknallte Typen. Da die Richter am Obersten Gerichtshof auf Lebenszeit ernannt werden und das Ausscheiden von Richtern in den letzten Jahrzehnten komischerweise häufig in die Präsidentschaft Republikanischer Präsidenten fiel haben diese dort eine 6:3 Mehrheit. Das ist schon schlimm genug, schlimmer wird es wenn man berücksichtigt dass George W. Bush und Donald Trump gar nicht mal eine Mehrheit nach absoluten Stimmen hatten und ihre Präsidentschaft nur der indirekten Wahl verdanken bei der ein Wähler in einem Bundesstaat mehr zählt als in einem anderen. Die Stimmen für den in einem Staat unterlegenen Kandidaten wandern gleich in die Tonne. Demokratisch ist das wirklich nicht.

Und diese konservative Mehrheit will jetzt die Entscheidung Roe vs. Wade kippen, das Frauen das Grundrecht zuerkennt unter bestimmten Bedingungen eine Schwangerschaft zu beenden. Die Begründung ist haarsträubend, unter anderem dass in der Verfassung nichts von Abtreibung steht, und dabei wird noch ein Jurist von vor 300 Jahren zitiert der nachweislich an Hexenprozessen beteiligt war - und nicht auf der Seite der unschuldigen Frauen (!). Man kann sich sicherlich um die Fristen streiten, aber das Urteil wird zu einer extremen Auslegung führen, einem vollständigen Verbot vom ersten Tag an ohne Ausnahmen aus medizinischen Gründen oder bei Vergewaltigungen. Kurz und gut nimmt das den Frauen das Recht zu entscheiden, was in ihrem eigenen Körper passiert. Den sozialen Aspekt mal ganz außer Acht gelassen, dass keine Tochter oder Enkelin eines republikanischen Senators ihr Kind nach einer Vergewaltigung bekommen müsste weil sie dann einfach ins Ausland geflogen wird.

Aber wie sieht die Gruppendynamik im Hintergrund dieser Entscheidung aus? Diese Sichtweise stammt ja von den strenggläubigen Christen, Katholiken und Evangelikalen. Eigentlich nur eine kleine Gruppe, die Mehrheit der US-Bürger ist für die bestehende Regelung. Wie aber schafft es eine kleine Gruppe, ihre Ansicht kodifizieren zu lassen?

Soweit ich das sehe spielt für die Bevölkerungsmehrheit die Gruppenzugehörigkeit eine große Rolle, man empfindet sich als Teil einer Gruppe, deren Werte und Vorstellungen man teilt. Gleichzeitig haben diese Gruppen auch die Tendenz, auf abweichende Vorstellungen unterdrückend zu reagieren. Konkret als Beispiel wurden Verstöße gegen die "Sitten" früher in dörflichen Gemeinschaften fast schon mit dem Tod bestraft. Wehe da lebte eine Frau in wilder Ehe mit jemandem zusammen ... "Flittchen" dürfte da noch das Harmloseste gewesen sein.

Heutzutage ist das etwas anders, aber wenn man sich anschaut wie gut zum Beispiel die Schmutzkampagnen eines Bolsonaro über WhattsApp funktionieren wo Gegnerinnen bevorzugt sexuell verunglimpft werden - es ist immer noch Realität, nur dass man jetzt Hetzbeiträge teilt und weiterverbreitet. Gleicher Mechanismus.

Und die radikalen Rechten in den USA nutzen diesen Mechanismus eben geschickt aus. Zum einen haben diese das Bedürfnis, allen anderen ihre Wertevorstellungen vorzuschreiben, zum anderen wird ihre Meinung eben bis weit in die Mitte hinein übernommen weil sie eben Teil der Gruppenmeinung ist.

Und das ist eben das fundamentale Ungleichgewicht zur anderen Seite des Spektrums. Toleranz und Freiheit sind ja die Grundpfeiler der liberalen Seite, also eben nicht das Verlangen, anderen vorzuschreiben wie man leben soll und was man darf und was nicht. Folglich fehlt dieser Seite die in Demokratien notwendige Mobilisierung einer Stimmenmehrheit. Zudem ist das Gruppenbewusstsein viel schwächer ausgeprägt und damit auch der Wille, eine nur von einem Gedanken besessene Einheit zu bilden, schon alleine die Natur dieser Menschen geht zwangsläufig in die Richtung einer bunten Vielfalt aus Individuen.

Bei den Waffen ist es genau dasselbe: Auch hier hat die kleine Gruppe der Waffenfetischisten es geschafft die Republikanische Partei unter ihre Kontrolle zu bringen und diese wiederum hat den Staat kontrolliert. Die Verfassung wird dann halt passend gebogen, denn hier gibt es ja den zweiten Zusatzartikel, der ausdrücklich nur von einer "Miliz" spricht und hier ist das dann halt - im Gegensatz zur Abtreibung - wichtiger was nicht geschrieben steht, dass das also dem einzelnen Bürger das Recht auf Waffenbesitz gibt. Eindeutig inkonsistent, aber wen kümmert es?

Es ist ein psychologischer Gruppen-Domino-Effekt: Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, deren Willen es ist anderen ihre Meinung aufzuzwingen. Und die viel größere Gruppe besteht aus Herdentieren deren Meinung von den Leittieren ungefragt übernommen wird und damit "demokratische" Wucht bekommt. Und das ist das Problem was ich persönlich mit der Gruppenorientierung habe die sich in Extroversion manifestiert. Man macht nicht einfach irgendwas nur weil es die Gruppe so will. Und genausowenig manipuliere oder ergreife ich Besitz von einer Gruppe um meine Meinung durchzusetzen.

Ich will niemandem vorschreiben wie er sein Leben zu leben hat und ich will die Freiheit haben mein Leben nach den gleichen Prinzipien führen zu dürfen. Das ist der fundamentale Unterschied von Introversion zu Extroversion.

Trackbacks

INTJBlog.de am : Total Unfair

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Der Youtube-Algorhytmus ist ja so eine Sache. Mir hat er jedenfalls in letzter Zeit ein paar Videos über Asperger-Autismus vorgeschlagen, unter anderem dieses hier über Nicole (26): Sie hatte in ihrer Kindheit Probleme mit Depressionen und hat auch ein

Kommentare

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Jonny am :

Wenn Sie dafür sind, dass Menschen andere, unschuldige Menschen vor der Geburt töten und dass niemand Letztere beschützt, was haben Sie dann dagegen, wenn Sie als INTJ ohne jeden Schutz von einem anderen Menschen getötet werden und dieser nicht dafür bestraft wird? Wäre das in Ihren Augen genauso in Ordnung?
Wr hatten schonmal eine "schöne neue Zeit" , in der plötzlich einigen Menschengruppen das Lebensrecht abgesprochen wurde, die vorher selbstverständlich eins hatten. Und auch damals schien das Absprechen plötzlich ganz normal...

INTJBlog.de am :

Erstens ist es leider traurige Realität, dass es immer Menschen gibt die ohne jeden Schutz getötet werden und der Täter niemals dafür bestraft wird. Der Krieg in der Ukraine dürfte inzwischen an die 100.000 Tote gefordert haben, einzig und allein von Wladimir Wladimirowitsch Putin zu verantworten, der dafür wahrscheinlich niemals zur Rechenschaft gezogen werden wird. Die Stimmen mehren sich sogar, ihm eine "goldene Brücke" zu bauen ...

Zum konkreten Fall: Warum meinen alle, es sei so einfach schwarz-weiß? Wie ich geschrieben habe sind solche Fragen immer eine Abwägungssache und simple schwarz-weiß-Antworten werden der Frage niemals gerecht. Aber genau das wird ja mit einem Totalverbot von Abtreibungen beabsichtigt, das das Leben des Ungeborenen (vom ersten Tag an!) über alles andere stellt: das Leben der Mutter, deren psychische Gesundheit (zum Beispiel im Fall von Vergewaltigungen) und so weiter.

Man sollte sich das wirklich genau überlegen und gut begründen können, warum ein Klumpen Zellen mehr wert sein soll als die Mutter. Auf der anderen Seite müsste man auch sehr gut begründen können warum man ein gewolltes Kind im achten Monat abtreiben will weil die Mutter keine Lust mehr hat. Und eben alles dazwischen.

Außerdem stellt sich genauso wie bei Drogen die Frage, inwieweit eine solche Regelung den Kontakt mit der Realität überlebt. Wenn es nicht legal ist, dann wird es illegal gemacht mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen.

In Deutschland hat man das genauso wieder gemerkt: Der gesetzliche Schutz für die Prostituierten wurde soweit verstärkt, dass die vorhandenen Einrichtungen diesen nicht bereitstellen konnten und deshalb schließen mussten. Die dort angestellten Frauen verloren ihren Arbeitsplatz und landeten wortwörtlich auf der Straße um weiterzuarbeiten. Jetzt neu, illegal und viel besser ganz ohne Schutz.

Aber genau das passiert mit Regelungen die von bestimmten Splittergruppen aus ideologischen Gründen der Mehrheit aufgezwungen werden - wenn etwas im Gesetz steht heißt noch lange nicht dass dieses Gesetz auch befolgt wird. Ein Gesetz kann immer nur ein Teil auf einem Weg zu einem bestimmten Ergebnis sein und wie die Geschichte uns lehrt funktionieren selbst drakonische Strafen zur Durchsetzung nicht. Beim Beispiel von Drogen scheint eine regulierte Freigabe in Verbindung mit Aufklärungs- und Hilfsmaßnahmen ein sehr vielversprechender Weg zu sein.

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