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Das kleine Männchen auf der Schulter

... das entspringt natürlich nicht meiner Vorstellungskraft, dafür muss man INFP sein. Aber dass etwas in mir existiert das mir ständig entweder sagt was ich hätte besser machen können oder was nicht so ganz optimal gelaufen ist oder was hätte passieren können. Und das artet sich langsam zu einem ausgewachsenen Problem aus.

Mit anderen Worten: Für manches bin ich wirklich nicht geschaffen. Nachdem mir ja mein Vorarbeiter für die Küchenmontage gekündigt hat musste ich ja die Verantwortung selbst übernehmen und meine Küchen selbst montieren. Das Problem ist einfach nur, dass ich damit nicht wirklich klar komme. Nicht weil ich es nicht schaffen würde, sondern weil mich das besagte kleine Männchen psychisch fertig macht.

Zum Vergleich sollte man die letzte Montagefirma nehmen die für uns gearbeitet hat. Was die an einem Tag montiert haben, dafür brauche ich fast zwei. Und trotzdem kann ich danach genau aufzählen was nicht so geworden ist wie ich mir das vorgestellt habe oder was ich hätte besser machen können. Viel ist es zwar nicht - vielleicht zwei oder drei Kleinigkeiten - aber meine Ziele wurden eben nicht erreicht. Natürlich darf ich besagtes kleines Männchen nicht auf eine Küche schauen lassen die die Montagefirma montiert hat, da fällt das direkt tot um.

Das ist vielleicht eine der vielen falschen Vorstellungen die man von einem INTJ bekommt - man würde ständig rumnörgeln und man könnte es niemals recht machen. Das mag vielleicht stimmen, aber anders als bei anderen Persönlichkeiten messen wir andere nur mit genau den gleichen Maßstäben wie uns selbst. Und natürlich würde man sich nie verbessern wenn man eben nicht kritisch das betrachtet was man fabriziert hat. Aber die Gefahr besteht natürlich darin, sich mit dem Druck den man auf sich selbst ausübt einfach kaputt macht.

ISTP - also der Handwerker-Stereotyp - hat das Problem nicht. Da wird zack-zack zusammengeschraubt was sich nicht wehrt und dann muss das so gut sein. Auf der einen Seite bin ich in der Lage, etwas viel besseres abzuliefern, auf der anderen Seite kann ich das eben nicht auf Dauer machen. Schon alleine weil es einfach nicht möglich ist, fünfzehn oder zwanzig Stunden an etwas herumzuschrauben ohne dass man einen Fehler macht und sei es der Schraubenzieher der einem aus der Hand fällt. Ja, ich habe es immer wieder probiert.

Keine Ahnung was der typische Handwerker so macht wenn er um halb fünf Feierabend macht. Ich schaue dass die Baustelle fertig wird auch wenn es sechs oder sieben wird und danach bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen, schon alleine weil ich mit dem fertig werden muss was während des Tages passiert ist, ich nehme das einfach mit. Und es braucht nicht viel Vorstellungskraft um sich auszumalen wo man steht wenn man das fünf Tage die Woche über Monate macht.

Natürlich gibt es auch die seltenen Fälle, wo mir das Männchen auf die Schulter klopft. Spontan fallen mir da die Fälle ein wo etwas furchtbar schief gelaufen ist und ich das Problem mit König® weggezaubert habe, also meinem Retuschekasten. Zum Beispiel gab es da die riesige Arbeitsplatte, die weder über das Treppenhaus noch über den Balkon transportiert werden konnte, nur diagonal durch ein Fenster auf der Rückseite was auch zwei Meter über Bodenniveau war. Dabei musste die Arbeitsplatte auf halbem Weg abgestellt werden um die Männer von der Außen- auf die Innenseite zu holen und trotz Decken hat der Fensterrahmen dabei die Kante eingedrückt. Ich habe die Stelle nach allen Regeln der Kunst behandelt: das Dekor teilweise mit einer Nadel wieder hochgeholt, den Rest mit Hartwachs ausgewachst, dann die Maserung nachgemalt, am Ende mit Klarlack versiegelt und dann auch noch gegen das Licht den Glanzgrad angepasst. Man hat es nachher wirklich nur noch gesehen wenn man wusste wo es war und selbst dann ... man stelle sich nur mal vor man hätte die Platte austauschen müssen und dann hätten wir genau das gleiche Problem gehabt wie vorher das Ding heil in die Küche zu bekommen.

Oder der andere Fall - diesmal eine Granit-Arbeitsplattenanlage mit Nischenverkleidungen und Fensterbänken aus einem Stein der so brüchig ist dass mir eine Platte schon gebrochen ist als ich sie in eine Decke gewickelt habe. Ich hatte diese Platte dann zwar zusammengeklebt und man hat auch weder was gesehen noch was auf der Oberfläche fühlen können. Nachdem alles eingebaut und zusammengeklebt war hat der Kunde das aber irgendwie trotzdem gemerkt, wahrscheinlich weil man es an der Kante fühlen konnte und dann darauf bestanden hat dass wir die Platte dann neu liefern (das war auch so einer der Typen die mich wegen meiner autistischen Eigenschaften auf den Tod nicht ausstehen konnten). Jedenfalls war die Nischenverkleidung mit Silikon geklebt und ich musste sie mit dem Bohrhammer zertrümmern um sie wegzubekommen. Und dabei ist mir dann natürlich der Steg am Kochfeld gebrochen. Eine Katastrophe jagt die andere, gerade bei der Küche. In dem Fall hatte ich dann aber jemanden dabei der den Kunden abgelenkt hat und ich habe den Riss weggezaubert. Und das war wirklich eine geniale Idee, mit der Diamantscheibe vom Multimaster per Hand die fühlbare Kante wegzuschleifen um den Rest mit Wachs aufzufüllen.

Man sieht aber das Muster: mein Zufriedenheitsgefühl beschränkt sich darauf das Schlimmste verhindert zu haben.

Genauso schlimm sind die Fälle wo mir im Nachhinein einfällt was durch meine Aktionen hätte schieflaufen können. Und das wird noch verstärkt durch die Vorstellungskraft was das dann für einen Rattenschwanz nach sich zieht. Ein ganz schlimmer Fall von Beinahekatastrophe war die letzte (mal wieder) Granitplattenanlage. Die wird auf einer Holzpalette angeliefert und weil ich ja mit meinem Vater alleine bin haben wir uns Helfer organisiert die die auf unseren Möbelwagen gehoben haben. Und ich habe die dann an der seitlichen Zurrschiene mit einem Spanngurt gezurrt. Sah auch auf den ersten Blick problemlos nach einem Paket aus massiven Platten aus. Was ich dann erst später gesehen habe war dass bei der mittleren Platte der Ausschnitt fast ganz am Rand war und nur der Rest über die erste Platte überstand. Der Druck vom Spanngurt ging also voll auf die Stege und - siehe oben - weiß man ja wie empfindlich die sind. Es ist zwar nichts passiert, aber es ist kein Scherz dass ich danach sogar durchgerechnet habe bei welcher Kraft die brechen um herauszufinden wie knapp ich an einer Katastrophe vorbeigeschrammt bin. Die Platte besteht aus drei Teilstücken und in dem Fall war es ein Stein bei dem jeder Block anders aussieht ... ich kann mir das alles viel zu gut vorstellen.

Es gibt zwar das alte Sprichwort "wo gehobelt wird da fallen Späne", aber so richtig leben kann ich damit nicht. Innerlich will ich alles richtig machen, aber so sehr ich mich bemühe passieren immer wieder mal Fehler. Und eben nicht nur diejenigen die man nicht vorhersehen kann (wer denkt schon dass eine schwarze Arbeitsplatte die man an einem schönen Tag von Vormittags bis Mittags auf den Böcken stehen hat zerläuft wie die Scheibe Käse im Ofen?), sondern eben welche die man eben hätte verhindern können. Menschliche Fehlbarkeit eben. Ich zu sein macht da wirklich keinen Spaß.

Ich habe zwar nicht das akute Problem, aber wie würde meine Bewerbung aussehen? Küchenmonteur für Spezialfälle und Genauigkeit, bekommt alles hin, so gut wie keine Reklamationen, aber bitte nur eine Montage pro Woche!? Ich will hier gar nicht weiter darauf eingehen WIE anstrengend das für mich war nicht nur aufzupassen dass ich selbst keine Fehler mache sondern noch zwei Gehilfen beaufsichtigen musste die ein schon fast unheiliges Talent dafür hatten Mist zu bauen. Ja. Die drei Küchen die ohne meine Aufsicht montiert wurden musste ich praktisch alle komplett wieder abbauen und nochmal montieren und das weil die Kunden reklamiert haben, nicht mein kleines Männchen.

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