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Brauchbare Illegalität und die Fortsetzung der Willkürherrschaft

Vorhin habe ich ein sehr interessantes Video gesehen über "Brauchbare Illegalität" - in der Hauptsache wurde dabei heruntergebrochen dass es in Organisationen so viele Regeln gibt dass diese einfach erstarren würden wenn die Mitarbeiter nicht wissentlich und vorsätzlich die Grauzone nutzen würden in der Handlungen zwar illegal sind, aber nicht bestraft werden.

Wie es jemand so schön gesagt hat: wenn Extroverted Intuition "Thinking outside the box" ist, dann ist Introverted Intuition (was ich habe) "Thinking about the box". Und ich habe das Puzzlestück über die brauchbare Illegalität genommen und das direkt über mehrere Ebenen weiter verfolgt - bis hin zu den Grundfesten der Herrschaft(stherorie). Interessanterweise wurde es in dem Video auch schon kurz angerissen: wenn etwas schiefläuft dann wird jemand herausgepickt der einen Akt der brauchbaren Illegalität begangen hat der zu dem Problem geführt hat, dieser wird dann öffentlich bestraft und der Sache ist genüge getan.

Evil Overlord hält seine Sklaven an einer kurzen Kette

Das geht aber alles noch deutlich weiter. Wenn man sich überlegt wie sich Herrschaft entwickelt hat dann stand am Anfang sehr wahrscheinlich die Tyrannei, die Willkürherrschaft - der größte und stärkste bestimmt wo es lang geht, ohne dabei großartig eingeschränkt zu sein. Im Tierreich ist das immer noch so. Jetzt haben sich aber im Laufe der Zeit die Untergebenen zu Wort gemeldet und erreicht dass allgemeingültige Regeln erlassen werden an die sich auch der Herrscher halten muss. Und Justitia wird ja mit Augenbinde dargestellt, die das Ideal verkörpert dass alle vor dem Gesetz gleich sind, das ist vollkommene Gerechtigkeit.

Aber wenn wirklich jede Illegalität konsistent und konsequent bestraft werden würde, dann würde das jeglicher Tyrannei einen Riegel vorschieben - und natürlich haben diejenigen die die Macht haben dafür gesorgt dass genau das eben nicht passiert. Und die "Brauchbare Illegalität" ist ein wichtiger Baustein davon. Ein schöner Spruch im Video ist der "Schnürsenkelbügler": Organisationen sind ja nicht homogen, sondern aus verschiedenen Persönlichkeiten zusammengesetzt. Und besagte Schnürsenkelbügler, die sich an alle Regeln halten haben auch keinerlei Ambitionen auf Führungspositionen. Anders sieht das mit den Kreativen und Einfallsreichen aus: die haben die Wahl entweder sich in ihr Schicksal zu ergeben und den Regeln zu folgen und nichts bewegt zu bekommen - oder eben in die Grauzone der Illegalität vorzustoßen. Und genau das ist ein Feature dieses Systems, dass sich die Menschen in Machtpositionen geschafft haben. Der Clou liegt nämlich daran das auszunutzen was in den Regeln nicht geschrieben steht: die Entscheidung zu haben wer für seine Handlungen im Graubereich bestraft wird und wer nicht. Zuerst lässt man die Zügel locker und schaut wie sich die Dinge entwickeln. Wer dann aufgrund seiner kreativen Handlungsweise aufsteigt wird genauer unter die Lupe genommen: ist mir derjenige loyal, dann lässt man es so weiterlaufen. Fängt jemand allerdings an sich kritisch über die Führungsebene zu äußern dann bin ich ja völlig im Recht ihn für seine Handlungen zu bestrafen und zurück ins Glied zu versetzen.

In manchen Ländern ist das sogar in der Verfassung festgeschrieben wie in den USA, wo das Justizministerium und damit die Staatsanwaltschaft der Exekutive unterstellt ist - und Trump hat ja schon angekündigt ihm unliebsame Menschen durch die Justiz verfolgen zu lassen, während die Verfahren gegen ihn und seine Anhänger eingestellt werden. Auf der anderen Seite hat Trump sowieso schon von einem System profitiert was bei prominenten (und vor allem reichen) Personen gerne mal ein Auge zudrückt und wenn diese zur Wahl stehen gleich zweimal - zuerst hat er die Verfahren mit einem Heer von Anwälten verzögert bis dann die bevorstehende Wahl und die damit verbundene Zurückhaltung die Ahndung der Vergegen ganz abgewürgt hat. Und das hat dann zur Folge, dass der junge Mann der zwei geheime Dokumente mitgenommen hat und im Internet lediglich mit deren Existenz geprahlt hat innerhalb von ein paar Monaten für Jahre hinter Gitter gekommen ist während jemand der Geheimdokumente gleich kistenweise mitgenommen hat und die auch noch herumgezeigt hat ungeschoren davongekommen ist. Damit geht jede Gerechtigkeit flöten.

Aber bei der ganzen Geschichte ging es auch nie um Gerechtigkeit. Ich weiß nicht was das für ein Geschwurbel-Werbespot ist wo ein alter Mann krächzt: "it is all about control" - aber in gewisser Weise stimmt das. Diktaturen leben sogar davon, das ist ein wichtiges Kontrollinstrument während nach außen hin (für die Mehrheit der Schnürsenkelbügler) alles nach Recht und Gesetz zugeht: man setze immer nur Leute auf Posten die korrupt sind. Damit hat man jederzeit die Möglichkeit diese wegen der Korruption hochzunehmen sobald deren Loyalität zweifelhaft wird. Und man sammelt in der Öffentlichkeit auch noch Pluspunkte weil man etwas für Recht und Gesetz macht. Deswegen sind völlig integre Menschen auf Posten von Diktaturen auch sehr schlecht für das Regime - es ist zumindest ein Hindernis wenn man die Anschuldigungen erst erfinden muss.

Und das ist auch ein Nebeneffekt der überbordenden Bürokratie: je mehr Vorschriften es gibt, desto größer der Anreiz oder gar die Notwendigkeit im Graubereich etwas zu machen. Da aber unmöglich die Zahl der Kontrolleure im gleichen Maß wachsen kann wird die Vollstreckung der Vorschriften immer ungerechter und willkürlicher. Es gehört ja zu den Stereotypen des gehässigen Polizisten der - so man ihm denn nicht den nötigen Respekt entgegenbringt - dann so lange und so gründlich kontrolliert bis man irgendwas findet. Und siehe oben - irgendwas wird man schon finden. In den USA ist das ja traurige Realität: wenn man männlich, jung und schwarz ist und in eine Kontrolle gerät muss man schon damit rechnen dass einem irgendetwas angehängt wird. Am liberalen Ansatz, möglichst wenig Vorschriften zu haben und diese aber auch gegen alle durchzusetzen ist also wirklich etwas dran wenn man dem Ideal der Gerechtigkeit nach geht.

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