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Marketing-Gag

An Neujahr lief im Fernsehen eine interesssante Dokumentation über den Untergang und das Wrack der RMS Titanic. Bekanntermaßen ist es ja eine meiner Eigenschaften nicht hinter dem Berg zu halten wenn jemand Nonsens verzapft und damit wirbt. Dafür ist es im Fall der Titanic etwas zu spät, aber es ist so ein krasser Fall von Marketing-Gag dass es ein für allemal klargestellt werden muss: Wer immer der Presse gesagt hat die Titanic sei unsinkbar wusste von vornherein dass das Blödsinn ist.

Bekanntermaßen war die Titanic in 13 wasserdichte Abteilungen unterteilt und eine etwa ein Quadratmeter große Leckfläche, verteilt über die vorderen sechs Abteilungen reichte um das Schiff zu versenken. Aber es war auch von Anfang an klar, dass der damalige Stand der Technik in Sachen "Unsinkbarkeit" ganz, ganz andere Maßstäbe ansetzte, zumal Eisberge auf der Nordatlantikroute nicht völlig überraschend auftreten. Etwa gleichzeitig zur Titanic ist 1912 auch der deutsche Schlachtkreuzer SMS Seydlitz vom Stapel gelaufen. Und jetzt kann man sich mal anschauen wie das Schiff 1916 nach der Skagerrakschlacht aussah:

SMS Seydlitz nach der Skagerrakschlacht
SMS Seydlitz nach der Skagerrakschlacht
Unterwasserschaden der SMS Seydlitz
Unterwasserschaden der SMS Seydlitz

Es ist schwer abzuschätzen, aber das sind auf jeden Fall sehr viel mehr als ein Quadratmeter Leckfläche. Alleine durch das große, durch einen Torpedo entstandene Leck könnte man ein Auto fahren und dazu kommen noch mehrere schwere Artillerietreffer. Zugegebenermaßen war die Rückkehr der Seydlitz eine knappe Sache, aber weniger wegen der Gefahr des Sinkens sondern mehr wegen des Verlustes der Manövrierbarkeit. Damit ein Schiff nicht dem Gegner in die Hände fallen kann, wird es in so einem Fall selbst versenkt. Durch den enormen Schaden im Vorschiff wurde dieses überspült und die Propeller drohten aus dem Wasser zu tauchen. Soweit mir bekannt, fuhr das Schiff deshalb zeitweise rückwärts zurück zum Hafen.

Was ist nun der Unterschied? Ein Kriegsschiff hat einfach sehr viel mehr als 13 wasserdichte Abteilungen. Im Fall der japanischen Yamato von 1940 von waren es sogar 1174 und es brauchte 13 solcher Torpedotreffer, acht Bombentreffer und eine Perforation im Nahkampf bis das Schiff endlich sank. Ein wichtiges Konstruktionsmerkmal sind die Torpedoschotten, die das Schiff nicht nur quer, sondern auch in Längsrichtung unterteilen. Den Schiffskonstrukteuren war ja klar, dass Torpedos und Minen häßliche, große Löcher in die Außenwand reißen können und deshalb hat man von vornherein den äußeren Abschnitt des Schiffsrumpfes sozusagen als Knautschzone geplant. Nur ist das a) teuer und b) dem Komfort und der Raumaufteilung innerhalb des Schiffes nicht zuträglich und deshalb unterblieben solche Konstruktionsmaßnahmen bei Passagierschiffen wie der Titanic. Aus eigener Erfahrung (an Bord der HMS Belfast) kann ich sagen, dass es nicht anzuraten ist mit einem Tablett in der Hand eine der steilen, durch Luken führenden Treppen zu benutzen. Wenn man da stolpert, dann schlägt man sich entweder am Lukenrand die Zähne aus oder fällt gleich kopfüber ein Deck tiefer. Eine für Passagiere komfortable Treppe sieht halt anders aus.

Kriminell wird es wenn man bedenkt, dass die Passagierliner für den Kriegsfall von vornherein als Hilfskreuzer vorgesehen waren und deshalb auch Subventionen in den Bau geflossen sind. Selbst wenn sie nur als Hilfs-Kriegsschiffe eingesetzt wurden erwies sich der fehlende Unterwasserschutz als fatal: 1915 sank die RMS Lusitania nach einem Torpedotreffer innerhalb von 18 Minuten, die HMHS Britannic als Schwesterschiff der Titanic lief 1916 auf eine Mine und sank in 58 Minuten.

Damit dürfte auch klar sein, dass die Seydlitz eine gleichartige Kollision mit einem Eisberg schwimmfähig überstanden hätte. Und dabei zerlegen wir gleich noch einen weiteren Mythos: besonders schnell waren diese Passagierliner auch nicht, zumindest nicht auf kürzere Distanzen. Die Titanic hatte 51.000 PS und lief 21 Knoten, die Maschinenanlage der Seydlitz erreichte mit bis zu 89.000 PS über 28 Knoten. Das Schiff war aber auch 69 Meter kürzer und ein Drittel leichter. Damit dürfte auch klar sein, warum man in Flugzeugträger Atomreaktoren einbaut, damit diese Schiffe - 60 Meter länger und ein Drittel schwerer als die Titanic - Geschwindigkeiten von weit über 30, vielleicht sogar 40 Knoten erreichen, die genauen Zahlen sind geheim. Man braucht aber sehr, sehr viel Dampf dafür und ein Reaktor liefert den jahrelang ohne das man gleich das ganze Schiff mit Kohle oder Öl füllen müsste.

Aber warum sollte der Werbesprech von 1912 auch so viel anders sein der der von 2020?

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Kommentare

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INTP am :

OMG....Es gibt tatsächlich Menschen, die sich auch diese Sachen denken? Zudem muss ich sagen, dass ich diese Dokumentation vermutlich nicht gesehen habe, sondern neige ich dazu während des Filmansehens meine Gedanken zu überprüfen. Sprich ich möchte faktisch nachgewiesen haben, dass die Sachen, derer der Film sich bedient, auch einen Wahrheitsgehalt haben. Dementsprechend denkt man sich natürlich auch seinen Teil. Auch hier während des Lesens dachte ich mir: "Na gut, dass Werbungen Versprechen machen, die kaum oder nie gehalten werden oder fernab jeglicher Realität sind, ist doch heute kaum anders." Dann las ich zu Ende und musste beim letzten Satz stark schmunzeln, war dies doch mein Gedanke.
Zudem sei anzumerken, dass ich während ich Titanic schaute (Immerhin habe ich den Film mehrfach konsumiert, jedoch nicht nur des Kitsches willen, sondern bietet sie doch ein Fundament für die Wahrnehmung dieses Unglücks) parallel einige Zeitungsartikel und Dokumentationen ansah/mir das wichtigste heraussuchte und ich dabei auch auf Violet Jessop stieß. Es wurde ja vielfach über sie berichtet. Stellt sich dir dabei nicht auch die Frage, warum kaum etwas über ihren emotionalen Zustand berichtet wurde. Immerhin wäre PTSD eine realistische Folge von mehrfachen Unglücken. Einfach ein Gedanke den ich hier mal reinwerfen wollte. Eventuell interessiert dich der Gedanke auch (ich neige mich mal mit dem Duzen aus dem Fenster, immerhin ist das Internet ein rechtsfreier Raum ;-) ).


Zuletzt anmerken möchte ich, dass ich den Beitrag nur zufällig beim googeln fand und dabei drei Stunden lang in der Badewanne verschrumpelte. Sehr interessante Ansätze, sowie auch Gedanken oder Theorien sind darin enthalten. Das Thema hier reizte mich nur, weswegen ich mal einen Kommentar hinterlassen wollte. Ob diese Hinterlassenschaft je bemerkt wird, ist mir Tatsache einerlei :-P.
Danke für die Existenz des Blogs. Ich wünsche eine mehr oder minder angenehme Zeit. Ich lese dann mal weiter :-D.

Christine am :

Hi INTP!
Und ob dein Kommentar gelesen wird! Erstmal vo Stephan, der vorher darüber schaut, und jetzt von mir. Nachdem ich auch ein neugieriges Kind bin, habe ich alle diese Beiträge schon vor einer Weile mir unbedingt geben müssen. Generell ist daran alles interessant. Nur ich wollte fernab weiteres wissen. So war ich auch bei der These mit Dr Materialfehlern der Schrauben und des Stahl, der jetzige Zerfall, der macht, das dieses Wrack bald nicht mehr existiert, bis zu den Überlebenden, die feiern etc. Schlussendlich Lande ich dann irgendwann bei allen alten versunkenen Schiffen. Zerfall unter Wasser allgemein und der Schatzsucher.....bishin zur Unterwasserarchäologie. Hm Wissen ist eine feine Sache, von der Vergangenheit lernen eine ganz andere. Zumindest ist bei diesen Themen auf jeden Fall nicht nur das verschrumpeln in der Badewanne garantiert, sondern auch das alles andere um einen unwichtig wird.....

LG Christine INFJ

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