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Pfusch

Eigentlich habe ich wichtigeres zu tun, aber es beschäftigt mich so sehr dass ich diesen Artikel jetzt schreiben muss. Solange mir die Sätze sowieso schon im Kopf herumgehen. Ich bin immer noch bei den Aufräumarbeiten nach der Hochwasserkatastrophe und ständig kommt mir irgendein Pfusch entgegen, den Handwerker vor langer Zeit gemacht haben. Dieser hier war besonders ärgerlich:

Unvollständiges Schutzrohr
Unvollständiges Schutzrohr

Die Ölheizung war schon lange nicht mehr in Betrieb und ist jetzt ganz hin. Nachdem es mit dem 20.000-Liter Öl-Erdtank glücklicherweise kein Hochwasserunglück gegeben hat (er hätte entweder über die Entlüftung volllaufen oder wahlweise auf einmal wie ein Korken durch das Pflaster hochschießen können weil er fast komplett leer ist und damit 20 Tonnen Auftrieb hat) lasse ich den Tank jetzt aber endgültig stilllegen. Damit werden auch die Ölleitungen überflüssig die durch die Werkstatt laufen. Da hat man sich auch so einen Pfusch geleistet und als man einen Fließestrich gemacht hat sind diese nur knapp bis gar nicht überdeckt. Da ich den Werkstattboden sowieso überarbeiten muss will ich die Leitungen weghaben. Dummerweise kommt die Tankfirma erst am 17. Januar und erst dann werden die Leitungen entleert und durchgespült. Da ich aber sowieso am Übergang zwischen beiden Gebäudehälften schauen muss ob es sich um einen Verbund- oder schwimmenden Estrich handelt (letzterer müsste wahrscheinlich raus, weil abgesoffen), wollte ich die Leitungen dort schon mal freilegen weil sie da getrennt werden sollen.

Und wie man auf dem Foto sieht, bin ich das Opfer von mehrfachem Pfusch geworden. Zum einen kreuzen sich die Leitungen, das ist schon mal blöd. Und dann hat das Leerrohr eine Lücke - wer macht so einen Scheiß? Beim Freilegen sah das für mich so aus als sei das Ende des Rohrs ein Stein und ich habe versucht den mit dem Bohrhammer herauszustemmen - und prompt stattdessen in die Leitung gehämmert. Und meine bildliche Vorstellungskraft kann sich dann in Technicolor vorstellen wie Öl aus der Leitung sprudelt und ich dann um Hilfe rufend mit dem Finger zuhalten muss und natürlich hört mich niemand weil mein Vater mit der ganzen Aufräumaktion nichts am Hut hat und ich der Einzige bin der in der Hochwasserschadenszone arbeitet. Ich hatte einmal so etwas ähnliches als ich bei der Küchenmontage in ein Heizungsrohr gebohrt habe und das hat mir gereicht.

Ich kann so einen Pfusch wirklich auf den Tod nicht ausstehen. Zum einen ist so ein Schutzrohr zum Schutz des Kupferrohres da und das sollte dann auch lang genug sein dass man es nicht stückeln muss. Und wenn schon so viel schiefläuft dass man es stückeln muss, dann sollten beide Rohrenden wenigstens verbunden sein. Und wenn schon nicht mit Klebeband umwickelt oder so, dann wenigstens auf Stoß. Aber Mr. Pfuscher hat einfach eine Lücke gelassen und damit wäre um ein Haar genau das passiert was die Rohre eigentlich verhindern sollen. Pfusch hoch drei.

Und ich finde ständig solchen Pfusch. Wie wäre es mit dem Sichtbeton in der Gebäudeecke?

Betonschäden
Betonschäden

Hier zeigt sich auch gleich mehrfacher Pfusch am Bau: Zum einen ist die Armierung nicht genug überdeckt so dass sie rostet und jetzt freiliegt (es gibt auch Stellen ganz ohne Überdeckung!). Und dann zeigt sich, dass man vor 47 Jahren wohl von Bauwerksabdichtung nicht viel gehalten hat wenn das Wasser so schön an der Wand runterläuft. Betonsanierung geht ja wohl, aber für eine ordentliche Abdichtung muss die Wand auf der Außenseite ja freigelegt werden - das hier ist aber quasi Keller, da laufen ein Bürgersteig und eine Straße darüber vorbei und müsste über zwei Meter tief aufgegraben werden um es richtig zu machen. Und wie kann man als Architekt so einen Bau abnehmen?

Für mich ist so was undenkbar, wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig, auch wenn es nicht für mich ist und ich am nächsten Tag auf einer anderen Baustelle bin. Aber Handwerkern (oder zumindest einigen davon) ist das reichlich egal, "aus den Augen, aus dem Sinn".

Und richtig pervers ist es wenn es um Elektro geht. Die Betriebssicherheitsverordnung und die VDE-Vorschrift 0100-irgendwas schreiben ja vor, dass nur Elektrofachkräfte in einem Betrieb mit einer "verantwortlichen Elektrotechnischen Person" überhaupt an elektrischen Anlagen arbeiten dürfen. Das sind entweder Meister oder Elektroingenieure. Es reicht also nicht, Elektrofachkraft zu sein, die Weiterbildung zur "Elektrofachkraft für Festgelegte Tätigkeiten" (dauert zwei Wochen, kostet mehrere tausend Euro) reicht schon dreimal nicht. Und zum Elektroingenieur kann man sich zwar weiterbilden, aber nur wenn man vorher in einem verwandten Beruf gearbeitet hat. Die einzige legale Möglichkeit für mich an der elektrischen Anlage zu arbeiten wären also sieben Semester Vollzeitstudium zum Elektroingenieur. Und die Einsicht in die VDE-Normen an die man sich halten muss kostet einen hohen fünfstelligen Geldbetrag, das ist sowieso schon ein Skandal weil sie quasi-Gesetzeskraft haben.

Nur ist es dann halt so, dass Elektriker genauso Handwerker sind wie die anderen auch und auch genauso arbeiten. Ich war ja froh, dass sich ein Elektrofachbetrieb gefunden hat der mir die Verteilerkästen provisorisch wiederhergerichtet hat. Aber wie kann das sein, dass die Fachkraft es dann nicht richtig macht während ich als nominell elektrotechnischer Laie es richtig machen würde? Bevor man Leitungen wieder anschließt, muss man doch prüfen ob die Kabel in Ordnung sind ("so lange die Sicherung drin bleibt ...") und Schalter und Steckdosen einfach ungeprüft anzuschließen geht doch auch gar nicht, die sind ja voller Dreck und die Kontakte korrodiert. Ja, man hat keine Zeit alles auszutauschen, dass kommt dann nach Weihnachten ... super. Und der arme Geselle, der die Lampenschaltung mit vier parallelen Stromstoßschaltern und Schützen neu aufbauen musste ist sogar so weit gegangen dass er angefangen hat herumzuprobieren (!) als seine Schaltung nicht wie gewünscht funktioniert hat. Bei dem Kabelsalat aus zusammengestückelten Kabelresten (wir brauchen ein Stück, Farbe egal auch wenn es grün-gelb ist ...) sah man wirklich nicht wie es funktionieren muss. Da geht man hin und zeichnet sich zuerst einen Stromlaufplan und dann nimmt man für ein paar Cent neue Litze und macht es ordentlich und systematisch, so dass man auf den ersten Blick sieht wie die Schaltung funktioniert.

Im Endeffekt ist es dann so, dass es in Deutschland illegal und damit noch viel schlimmer: nicht versichert ist wenn ich als Tausendsassa die Elektrik anfasse. Hingegen ist Pfusch von der Elektrofachkraft legal und damit versichert. Aber was nützt mir ein versicherter Schaden? Das sehe ich ja beim Hochwasser, das ist zwar versichert aber irrsinnig viel Ärger und Aufwand. Da überlegt man sich schon ob man sich die richtigen Meßgeräte kaufen soll und alles richtig und vorschriftsgemäß macht dass nichts passieren kann, auch wenn das dann illegal ist. Lieber illegal keinen Schaden als einen legalen versicherten?! Aber das ist halt die brutal einseitige Denkweise der Menschen die solche Gesetze machen: wer etwas nicht im Rahmen einer ordentlichen Berufsausbildung gelernt hat, der kann es nicht können. Auch wenn das im Zeitalter des Internets wo ein unermesslicher Wissenschatz jederzeit abrufbar ist gerade für Menschen wie mich überhaupt nicht stimmt.

Und bei der Aktion habe ich auch vieles gelernt. Man hat ja vielleicht schon mal davon gehört, dass man nicht mehrere Mehrfachsteckdosen hintereinander stecken soll. Aber niemand hat sich jemals die Mühe gemacht, die elektrotechnischen Laien darüber aufzuklären, warum man das nicht machen soll. Wenn man raten lässt kommt wahrscheinlich so eine Antwort wie "Überlastung der Steckdose". Das schafft man aber auch ohne Mehrfachsteckdosen mit einem Elektroheizkörper und einem Hochdruckreiniger am gleichen Stromkreis. Nein, es hat einen ganz anderen Grund: Die Schleifenimpedanz, also die aufsummierten Widerstände von Stromquelle, Leitungen und eben Kontaktstellen. Wird dieser Widerstand zu groß, dann sinkt der mögliche Kurzschlussstrom und das ist schlecht weil die handelsüblichen Leitungsschutzschalter ja nach Typ den fünf- bis 10fachen Nennstrom für die Schnellauslösung brauchen. Und deshalb ist eine Kabeltrommel mit zusätzlichem Verlängerungskabel auch eine ganz blöde Idee. Und jetzt kann man es erraten: Der letzte Elektriker der meine elektrische Anlage geprüft hat hat natürlich die Schleifenimpedanz nicht überall gemessen. Und natürlich gibt es Stromkreise bei denen die Sicherung zur Leitungslänge nie gepasst hat, es also weder der ursprüngliche Installateur noch seine Kollegen die später daran gearbeitet haben jemals geprüft haben. Und bei dem Gesellen mit der Stromstoßschaltung hat sich auch ein C25 zwischen die B16-Automaten verirrt - 250 statt 80 Ampere Abschaltstrom ist ja mal eine Hausnummer und an einem 1,5 mm² Kabel ganz, ganz falsch. Und das wäre so in Betrieb wenn ich das nicht gesehen und reklamiert hätte.

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Kommentare

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Christine Schmitt am :

Ach du Schande!!
Ganz ehrlich - ohne dich gäbe es extrem gefährliche Sachen in deiner Firma!! Ich will mir gar nicht ausmalen, welche Schäden noch hätten sein können!
LG Christine

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