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Die Wissenschaft des Erfolgs

Es verwundert wenig, dass ich Curiositystream abonniert habe. Dort kam jetzt neu eine sehr interessante Dokumentation "The Science of Success". Und wie so oft gibt es Zusammenhänge die zwar leicht nachzuvollziehen sind wenn man sie erklärt bekommt, von alleine kommt man aber einfach nicht darauf.

Es gibt in der Welt die grundsätzliche Meinung, dass Fähigkeiten und Erfolg miteinander gekoppelt oder gar identisch sind - "er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann" ist synonym mit "er ist ein fähiger Geschäftsmann". In dem Film haben jetzt Wissenschaftler - vor allem Datenanalysespezialisten - festgestellt das das so überhaupt nicht stimmt. Das ist eine neue Entwicklung in der Wissenschaft: "Big Data" ist nicht nur der Krake vor dem alle Datenschützer Angst haben, diese riesigen Datensätze ermöglichen der Wissenschaft auch völlig neue Erkenntnisse.

Wie sehr Erfolg zufallsabhängig ist wurde mit einem Experiment bewiesen bei dem Wissenschaftler eine Musikdownloadseite ins Netz gestellt haben, und zwar in neun unabhängigen Instanzen. Bei einer davon waren die Titel ohne weitere Angabe aufgeführt, bei den anderen acht wurde die Zahl der Downloads mit angezeigt. Und das Interessante: Die acht Varianten haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Ein Titel wurde in einer Instanz der Hit während er in einer anderen unter den Schlusslichtern war. Der initiale Zufall welche Titel am Anfang zuerst heruntergeladen werden hat also großen Einfluss darauf ob es ein Erfolg wird oder nicht.

Das nächste Experiment hat dieses Phänomen aus einer sehr kontrollierten Umgebung wie dem Downloadportal auf reguläre Projekte auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter übertragen: Per Würfel haben die Wissenschaftlern frischen Projekten in der Anfangsphase Geld gespendet - und die so bedachten Kampagnen waren messbar erfolgreicher als ihre Gegenstücke die leer ausgegangen sind.

Am Ende haben die Wissenschaftler einen großen Datensatz über den Kunstmarkt analysiert und die Gesetzmäßigkeit ging so weit dass sie in der Lage waren anhand der ersten fünf Ausstellungen eines Künstlers vorhersagen zu können ob dieser in zwanzig Jahren erfolgreich in der Spitzengruppe ist oder nicht. Und das ist gilt für Künstler, deren Werke qualitativ nicht voneinander zu unterscheiden sind, gezeigt anhand von zwei Grafittikünstlern aus dem New York der 80er die zusammen unter dem gleichen Pseudonym gesprayt haben. Als sie sich getrennt haben ist einer ist mit Andy Warhol Champagner trinken gegangen und wurde ein Weltstar, der andere blieb da wo er war und hatte eben keinen Erfolg. Nur in ganz seltenen Fällen (1% der Fälle) gelingt es jemandem mit außergewöhnlichem Talent diese Strukturen zu durchbrechen.

Ich will jetzt nicht einfach diese Doku nacherzählen sondern diese Erkenntnisse auf mein Spezialgebiet, die Persönlichkeitspsychologie übertragen, das tauchte da nämlich nicht auf. In der Doku wurde es zusammengefasst: "Es kommt nicht auf die Fähigkeiten an, sondern wie diese Fähigkeiten von anderen wahrgenommen werden". Und da kommt die Persönlichkeit massiv ins Spiel, weil es manche Typen eben viel einfacher haben weil sie von anderen positiver wahrgenommen werden und sich auch besser darstellen können. Und damit leicht das kompensieren können was ihnen vielleicht an Fähigkeiten fehlt. Erinnert sich noch jemand an den "Baulöwen" Jürgen Schneider? Als Baulöwe waren seine Fähigkeiten eher bescheiden, er hat es aber geschafft richtig wahrgenommen zu werden.

Manchmal hängt es ja schon am Geburtsdatum: Sportler haben meßbar mehr Erfolg wenn sie in ihren jeweiligen Kindergruppen die ältesten sind, also entweder Anfang des Jahres oder Schuljahres geboren wurden. Sie sind stärker als ihre bis zu einem Jahr jüngeren Jahrgangsgenossen und werden positiver wahrgenommen und eher gefördert.

Absurd wird das dann schon wenn es um "Prominente" geht. Prominenz und Erfolg gehen Hand in Hand, Erfolg führt zu Prominenz und die wiederum lässt sich in Erfolg umsetzen - Barbara Becker verkauft jetzt für LIDL Badematten und ihre herausragende Fähigkeit liegt darin Boris Becker in den Weg gelaufen zu sein. Oder Anna Ermakowa deren Basis für ihren Erfolg als Model in einer Besenkammer gelegt wurde ...

Und am schlimmsten für die Welt ist wohl dass das auch für Politiker gilt. Es ist kein Zufall dass Christian Lindner seine Hochzeit so gefeiert hat wie sie war. Die Fähigkeiten in einem Fachgebiet sind da praktisch irrelevant, ein Startvorteil und die richtigen Kontakte schon viel eher, gepaart mit "Wählbarkeit" und der richtigen öffentlichen Wahrnehmung. Richtig pervers zeigte sich das beim Ahrhochwasser wo Anne Spiegel am Tag danach vor allem mit ihrer richtigen Rezeption beschäftigt war - genauer gesagt war bei dieser Katastrophe niemand an den Hebeln der Macht der die richtigen Fähigkeiten dazu gehabt hätte, es waren alles entweder Bürokraten (keine Alarmierung der Bevölkerung ohne richtiges Formular) oder Politiker, die im schlimmsten Fall wie Jürgen Pföhler einfach zusammengebrochen sind.

Und klar kann man sich denken dass ich als INTJ (und Autist) zu denjenigen gehöre die dabei einfach die A*karte in der Genlotterie gezogen haben. Die Fähigkeiten sind da überhaupt nicht das Problem. Ich habe ja schon geschrieben wie sehr ich von meiner Selbstkritik gesteuert werde und wenn ich der Meinung bin das ich etwas gut kann dann kann man schon davon ausgehen dass es auch gut ist. Aber der Erfolg ... dafür muss man entweder Glück haben oder die richtigen Kontakte, eine einnehmende Persönlichkeit und am Besten alles zusammen. Nur habe ich nichts davon weil meine Persönlichkeit eben so ist wie sie ist und damit ist der Erfolg eben auch spärlich, trotz allem Fleiß und Talent. Und natürlich wurde ich im Juni geboren und war damit immer unter den kleinsten und schwächsten in meiner Klasse.

Zurück zum Ahrhochwasser: Hätte ich etwas zu sagen gehabt und das Landesamt hätte mir gesagt dass der Pegel bis auf 6,50 Meter steigt und sie jetzt Feierabend machen würden - ich ich hätte denen etwas anderes erzählt: "Wir haben hier eine Katastrophe, holen Sie ihre Kollegen zurück und übernachten sie an ihrem Schreibtisch, ich will laufend Meldungen bekommen!" In so einer Lage muss man alle verfügbaren Kräfte mobilisieren und Aufgaben delegieren. Man weiß nicht was am Oberlauf los ist und man erreicht niemanden mehr? Dann staucht man jemanden bei der Luftwaffe zusammen die einen Flieger hinschicken sollen und Pronto Meldung erstatten sollen und noch besser jemanden vom Nachrichtenbattalion dort absetzen der als Relaisstation vor Ort fungieren kann, es gibt das ja alles. Wenn man genügend admistratives Gewicht und Kontakte in die Waagschale wirft, dann geht das auch, genauso wie das Helmut Schmidt 1962 in Hamburg gemacht hat obwohl er "nur" Polizeisenator war, aber eben mit dem richtigen Telefon-Rollkartei und Kontakten bei der NATO: "Ich brauche Pioniere mit Sturmbooten und zwar sofort". Und das obwohl es eigentlich illegal war das Militär einzusetzen, er wusste das auch und hat es ignoriert. Und heute heißt es ja es hätte keine Hubschrauber mit Seilwinden gegeben - die gab es 1962 auch nicht, die Piloten haben die Leute per Hand von den Dächern gepflückt.

Aber mein fehlender Erfolg lässt sich auf genauso auf diese Effekte zurückführen wie die Tatsache dass es heute keine Politiker wie Helmut Schmidt mehr gibt: Warum sind mir meine Mitarbeiter abhanden gekommen und warum hat die Konkurrenz 70 oder gar 200 Angestellte? Die Menschen folgen eben der Herde und gehen da hin wo schon viele andere sind, genauso wie sich die Menschen in einer Straße voller Restaurants dorthin setzen wo schon jemand sitzt. In einer schmalen Nische hatte ich Erfolg als Geschäftsmann weil dort meine Eigenschaften positiv wahrgenommen wurden, aber das hilft ja jetzt nicht mehr wenn das Personal fehlt. Warum dümpelt dieser Blog vor sich hin? Weil er nie in die Kreise gelinkt wurde wo richtig "die Post abgeht" und sich noch dazu an eine Zielgruppe richtet bei denen dieser Herdentrieb fehlt.

In der Doku tauchte auch noch das Fazit auf dass man mit Hilfe dieser Erkenntnisse dafür sorgen könnte, dass die Menschheit davon profitiert indem den Menschen mit Fähigkeiten aber bisher ohne Erfolg zu helfen wäre. Ich sehe da eher schwarz, jedenfalls nicht solange die Gesellschaft in ihrer Zusammensetzung so bleibt wie sie ist.

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Ich lese ja in letzter Zeit nicht mehr so viel Non-Fiktion. Nachdem ich aber auf Youtube einen Beitrag des Autors gesehen habe, musste ich mir das Buch kaufen: David Epstein: "Range - How Generalists Triumph in a Specialized World" Kurzfassung: Es

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