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Entfremdung der Arbeit

Es gibt einen Nebeneffekt, den die zunehmende Konzentration auf immer größere Arbeitgeber hat: eine zunehmende Entfremdung der Arbeitnehmer von ihrer Arbeit. Zumindest hier in Deutschland, in Japan mag das etwas anders sein. Mit anderen Worten - die Menschen gehen nur noch "schaffen" und die Verbindung zu ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber wird immer schwächer. Dazu gehört eben auch der mittlerweile selten gewordene "Werkstolz" - auf das Produkt der eigenen Arbeit stolz zu sein auch wenn es einem nicht persönlich "gehört".

Da ich ja sehr für anschauliche Beispiele bin, hier eines sprichwörtlich vom ALDI nebenan: Weil der ALDI mittlerweile eine der wenigen Quellen für Frühstücksbrötchen ist und in annehmbarer Entfernung liegt fahre ich gerne mit dem Fahrrad da hin, gibt auch frische Luft. Die Filiale hat sogar einen Fahrradständer. Allerdings hat da vor einiger Zeit wohl jemand einen Unfall gehabt, jedenfalls liegen dort eine Reihe von Glassplittern herum - und zwar eben genau um den Bereich des Fahrradständers. Und weil das direkt vor dem Fenster und überdacht ist ist das wohl zweifelsfrei auch ALDI-Gelände.

Nachdem sich da über Wochen nichts getan hat und ich jedesmal vorsichtig fahren musste um mir keinen Platten einzufangen habe ich einmal an einem Morgen wo an der Kasse nicht viel los war der Kassiererin das gesagt und ihr auch noch erklärt dass das sich Scherben und Fahrräder nicht gut vertragen. Die Antwort: "Ich gebe das weiter."

Das ginge ja noch.

Am nächsten Tag lagen die Scherben jedenfalls immer noch da und ich werde das weiter beobachten. Vermutlich wird NICHTS passieren.

Das macht man nur, wenn einem das Unternehmen, die Kunden und sonst alles noch völlig egal sind. Der ALDI hatte sicherlich mal Kehrgarnituren im Angebot beziehungsweise müssen die so was ja im Haus haben. Wenn man sich nur einen Funken verantwortlich fühlt, dann holt man sich nach der Pause so was und kehrt die Scherben gerade mal weg bevor man dann wieder Regale einräumt.

Ich denke mal, dass diese Episode eben das Symptom gut beschreibt: Hatte man früher kleine Firmen, wo sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen und ihrer Arbeit identifiziert haben - und das eben auch Loyalität geschaffen hat - so arbeitet man inzwischen in gesichtslosen Konzernen wo man genau das macht wofür man angestellt ist und dafür seine Kohle bekommt. Und nur das. Und weil aber kleinere Firmen diese Verbundenheit immer noch brauchen weil sie sonst einfach nicht funktionieren können geraten diese immer weiter unter Druck.

Und irgendwie arbeitet das an der anderen Seite meines Gewissenskonflikts, dass meine Firma in den über zwanzig Jahren in denen ich dort gearbeitet habe genug abgeworfen hat dass ich mir jetzt nicht unmittelbar Sorgen machen muss weil ich wegen des Mitarbeitermangels und der Hochwasserfolgen keinen regulären Verkauf mehr mache. Aber mir ist und war das eben alles nie egal. Vor einer Woche hatte ich noch einen Kunden, der für eine vorhandene Mietwohnung in Luxemburg eine Kühl-/Gefrierkombination brauchte weil der Kompressor kaputt gegangen ist und die Mieter unbedingt und schnell Ersatz haben wollten. Ich hatte zwar ein passendes Gerät, aber es war Freitag Nachmittag um 16 Uhr und ich habe natürlich niemanden mehr der mir bei der Montage hilft - bei den großen Dingern muss man zu zweit sein.

Was habe ich gemacht? Ich habe mich mit dem Kunden geeinigt dass er mit mir fährt und mir hilft, bin dann eine Stunde zur Baustelle gefahren, alten Kühlschrank raus, neuen rein und weil ich es eben auch ordentlich machen will habe ich noch die Schaublöcher vom alten Gerät retuschiert, die Korpuskante neu angeklebt und noch eine Beschädigung an einer anderen Front (war vorher schon) ausgebessert. Bis ich dann zu Hause war war es dann halt acht Uhr abends. Aber was soll es - ich habe mein Gerät vom Lager verkauft und der Kunde ist zufrieden und das ist wichtiger als mein pünktlicher Feierabend. Und natürlich hat der Kunde mich jetzt wieder gefragt wo auch noch das Kochfeld kaputt gegangen ist.

Muss ich mich denn jetzt nun schämen dass sich das lohnt und sich das was dabei herumgekommen ist noch vermehrt ?! Was man 2009 in den MSCI World investiert hat - der Index bildet in etwa die Weltwirtschaft ab - hat sich seitdem vervierfacht (!). Und das ist alles andere als so ein windiges Anlageversprechen ("er verdient 2.300 Euro im Schlaf"), viel solider als in DIE WELTWIRTSCHAFT kann man gar nicht anlegen. Der Ukraine-Krieg hat zwar 10% Einbruch verursacht, aber langfristig spielt das keine Rolle. Der Krieg ist irgendwann vorbei und Putin ist weg und dann geht es wieder aufwärts. Und wenn Putin lieber den dritten Weltkrieg entfesselt dann ist es sowieso irrelevant wieviel Geld man hat.

Und ja: wenn sich jemand findet der genauso denkt wie ich und ähnliche Fähigkeiten hat - also verkaufen und montieren kann - dann mache ich gerne weiter, zu gleichen Teilen und gleicher Verantwortung, am Ende gibt es Halbe-Halbe.

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