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Unheilige Allianz

In den USA stehen ja jetzt die Midterm-Wahlen ins Haus. Ich habe eine Einschätzung gesehen und demnach sind die meisten Rennen bereits gelaufen. Und von so viel Kopfschütteln bekomme ich noch eine Gehirnerschütterung.

Wenn man sich anschaut was die Republikanische Partei in den letzten Jahren so abgezogen hat müssten ihr doch die Wähler in Scharen davonlaufen. Durch das Mehrheitswahlsystem müssten doch schon ein paar Prozentpunkte Wählerabwanderung ausreichen damit die Sitze alle an die Demokraten fallen. Aber nein, es wird sich wohl nur marginal etwas an der Machtverteilung ändern.

Unfassbar.

Nur so ein paar Sachen die mir zuallerst einfallen: Präsident Trump hat laut Washington Post 30.573 mal gelogen. Nachweislich. In nur vier Jahren Amtszeit. Das macht knapp 21 Lügen pro Tag. Das muss man erst mal schaffen. Oder nehmen wir den Supreme Court: Judge Alito hat bei seiner Anhörung unter Eid bestätigt, dass er den Fall Roe v. Wade als gefestigten, mehrfach bestätigten Präzedenzfall ansieht. In seiner Urteilsbegründung mit der er diesen Präzedenzfall umgestoßen hat steht: "it was egregiously wrong from the start" - also von Anfang ungeheuer falsch, was unmöglich mit seiner Aussage unter Eid vereinbar ist. Das gleiche gilt für die Judges Kavanaugh, Coney Barret und Gorsuch, die alle bei ihrer Anhörung nach diesem Präzedenzfall gefragt wurden. Und Judge Clarence Thomas ist sogar so dreist jetzt bei einer Eilentscheidung betreffend die Vorladung eines Senators betreffend der versuchten Wahlmanipulation in Georgia seine Befangenheit zu ignorieren. Das Gesetz sagt wenn der Richter oder sein Lebensgefährte ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat muss der betroffene Richter sich für befangen erklären - und Ginny Thomas ist als MAGA-Aktivistin sehr, sehr tief in den Fall verstrickt.

Oder nehmen wir die Schulschießerei in Uvalde, Texas. Gouverneur Greg Abbot steht auch zur Wahl - und wird wohl wiedergewählt, nach all dem Stuss, den Lügen und der Vertuschung und dem totalen Versagen der ihm untergeordneten Behörden. Dasselbe gilt für Ron de Santis, der hat sich mit der Aktion die Migranten nach Martha's Vineyard zu verschleppen rechtlich gesehen des Kidnappings schuldig gemacht.

Wie kann das sein, dass eine Partei und Kandidaten die sich so abgründig verhalten haben immer noch demokratisch an der Macht halten können?

Ich kann es zwar nicht wissen, aber ich habe eine gute Vermutung: Es ist eine Unheilige Allianz zwischen den Superreichen, den Evangelikalen, der NRA und den - Entschuldigung - einfach dummen Menschen, vorwiegend Sensortypen die sich - um die Analogie aus dem Generalistenthema zu verwenden - in ihren ideologischen Gräben hocken und leicht beeinflussen lassen.

Im Prinzip funktioniert das so dass jeder das bekommt was er haben will weil es die jeweils anderen nicht großartig tangiert. Die Superreichen bezahlen den Wahlkampf, bekommen Einfluss und Steuererleichterungen. Die Evangelikalen haben ihren langgehegten Wunsch bekommen etwas gegen das liberale Abtreibungsrecht gemacht zu haben. Das ist den Superreichen egal - wenn deren Töchter in eine solche Situation kommen werden die einfach mit dem Privatjet nach Kanada geflogen. Und den weißen Waffenliebhabern auch, das sind hauptsächlich Männer. Die bekommen liberale Waffengesetze, was wiederum die anderen nicht stört - solange die Schießereien nicht in Kirchen stattfinden. Die reichen Kinder kommen auf gut bewachte Privatschulen.

Und der Rest wird mit simpler Propaganda abgefüllt - à la: "niedrigere Steuern und Sozialabgaben sind gut für die Wirtschaft". In Wirklichkeit ist dieser Stuss für jeden anderen kaum erträglich. In einem Youtube-Kanal wurden kurze Ausschnitte aus einer Trump-Rallyeveranstaltung gezeigt und schon die paar Minuten waren kaum auszuhalten. Und wer da hingeht, hört sich das für Stunden an.

Aber das Prinzip ist einfach: die Menschen hocken in ihren Gräben und freuen sich wenn man ihnen eine Schaufel zuwirft. Und um es zu einer WWI-Analogie weiterzuspinnen: Statt in jeden Graben eine Schaufel zu werfen wäre es wohl sinnvoller wenn alle zusammenlegen und stattdessen einen Panzer kaufen mit dem man den Gegner plattwalzen kann. Aber da der Panzer für jeden einzelnen in seinem Graben keinen Wert hat (schon mal einen Panzer im Graben fahren sehen?) denkt niemand so weit.

Selbst wenn die Situation in Deutschland nicht ganz so schlimm ist - hier kommen zumindest die Lügen verdammt schlecht an - so ist diese Grabenmentalität genau dieselbe. Ein prominentes Beispiel ist Luisa Neubauer, der deutsche Kopf von Fridays for Future. Diese fordert bei jeder Gelegenheit den Klimaschutz ein, der Graben den sie sich gegraben hat. Aber für sie ist es unmöglich, diese Forderung in den Gesamtkontext zu stellen, nämlich wie man die Forderungen in das Gesamtbild integrieren kann. Dafür bleibt sie nämlich die Lösung schuldig, weil sie nicht so weit denken kann.

Dasselbe gilt für die Grünen: Die sitzen in ihrem "Atomkraft - nein danke" Graben und führen ihren Krieg jetzt schon seit vierzig Jahren. Und genauso fehlt ihnen die Fähigkeit, das Gesamtsystem zu betrachten. Für sich alleine betrachtet hat die Atomkraft sicherlich ihre Schattenseiten. Im Gesamtkontext ist es aber das bei weitem kleinste Übel wenn man die ganzen anderen Zusammenhänge berücksichtigt.

Und der alte Bergmannsspruch "vor der Hacke ist es duster" trifft auch am Besten die fundamentale Einstellung der Sensortypen: Es macht keinen Sinn weit in die Zukunft zu denken, man weiß sowieso nicht was kommt und muss es nehmen wie es kommt. Im Bergbau funktioniert das System auch: man hat jede Menge Kumpels die graben wie es ihnen die Steiger und schlussendlich die Bergwerksleitung und der Geologe sagen. Man will ja schließlich irgendwann auf Erz oder was immer man fördern will stoßen. Und das ist das ganz, ganz große Problem der Demokratie: Ein demokratisches Bergwerk, bei dem alle Beteiligten mit gleicher Stimme über die Grabrichtung entscheiden würden würde niemals irgendwas fördern, weil die Kumpels keine Ahnung haben wo das Erz überhaupt zu finden ist und die Zahl derjenigen die es wissen ist einfach viel zu gering. Und dann gibt es noch die Möglichkeit dass sich unter den Kumpels ein Agitator (früher nannte man das "Rädelsführer") findet der genügend Stimmen hinter sich vereinigt um den Kurs vorzugeben. Man stelle sich nur die Situation vor wo links harter Granit ansteht und rechts weicher Kalkstein der sich prima graben lässt. Natürlich würde demokratisch nach rechts gegraben. Das Gold liegt aber hinter dem Granit ...

Die Stimme der Vernunft ist dagegen viel zurückhaltender bei den verwendeten Methoden und deshalb in Punkto Überzeugungskraft fast immer unterlegen. Außer vielleicht wenn den Kumpels gerade die Scheiße im Gesicht explodiert weil man das gemacht hat was die Rädelsführer gesagt haben. So wie sich gerade infolge des Ukraine-Kriegs zeigt was man alles in den letzten Jahrzehnten falsch gemacht hat. Und selbst dann noch finden sich jede Menge Leute die den Anführern glauben die behaupten alles würde so wie vorher wenn man alles macht so wie vorher.

Die Crux ist: von all den möglichen Szenarien funktioniert nur das vernünftige Bergwerk. Wie gesagt, nicht das demokratische, nicht das autokratische (der skrupelloseste reißt die Führung an sich) und auch nicht die Oligarchie (was in etwa dem real existierenden Kommunismus entspricht), also unter allen Beteiligen alle schwarzhaarigen oder so. Kleptokratie sowieso nicht (man bekommt Führungsverantwortung und verscherbelt die Maschinen unter der Hand). Funktionieren wird es nur, wenn diejenigen die Entscheidungen treffen die es tatsächlich am Besten können. Theoretisch sollte die Demokratie das bewerkstelligen, aber dazu müssten die Wähler entscheiden wer eine Ahnung hat und davon haben wiederum die Wähler keine Ahnung.

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