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Mutex Deadlock

Jeder der mal parallel laufende Prozesse programmiert hat kennt das Problem: auf Variablen darf immer nur ein Prozess gleichzeitig zugreifen, sonst kann alles mögliche passieren. Um das zu umgeben gibt es Mutexe: Sperren, die ein Prozess aktiviert, dann die Variable schreibt und dann wieder freigibt.

Wenn man dabei aber nicht aufpasst kann es sein dass sich das Programm für immer aufhängt: wenn nämlich beide Threads sich gegenseitig blockieren und warten dass der jeweils andere eine Sperre aufhebt.

several people pulling at a gordian knot

Wenn ich mir Deutschland und die Welt so ansehe, dann werde ich das Gefühl nicht los, dass wir in einer solchen Situation stecken und durch diese Selbstblockade die Katastrophe unausweichlich wird. Unter anderem habe ich die Doku von Christian Sievers gesehen: "Stillstand und Regelwut – verspielt Deutschland die Zukunft?". Dort wurden verschiedene Beispiele aufgeführt und ein Spruch bleibt vielleicht am Besten in Erinnerung: "wenn bei einem Projekt alle Partikularinteressen befriedigt sind, ist das Projekt tot".

Eine solche Blockade ergibt sich zum Beispiel aus der Energiewende: wie ich in vorherigen Artikeln schon mal ausgerechnet habe müsste man fast die Hälfte Deutschlands mit Windrädern bebauen um den Gesamtenergiebedarf zu decken. Aktuell gibt es die Vorgabe von 2% und selbst das scheitert schon wie in der Doku gezeigt am Beispiel der Uckermarck wo die Denkmalschutzbehörde den Bau von fünf Windrädern mit Unterstützung einer Bürgerinitiative blockiert. Wenn 2% schon nicht klappen wie sollen dann 50% funktionieren?

Es gibt dieses alte Kinderlied "Ein Loch ist im Eimer ..." und eine Zeile ist "womit denn Karl-Otto?" .. ja womit soll denn die Energiewende funktionieren wenn keine Energieform gewollt und genehmigungsfähig ist?

Was in der Doku nicht stand, was ich aber vor meiner Haustüre erleben musste: Die Bundesstraße 50 als eine der wenigen Hauptverkehrsachsen wurde wegen Erneuerung der Fahrbahndecke auf knapp 3 Kilometern gesperrt. Ein Jahr lang. Es ist ja schön, dass mal gebaut wird, aber wer in der Verwaltung hat den Vertrag ausgehandelt? Wenn die ausführende Firma da mit genügend Personal und angesichts der Wichtigkeit der Verbindung rangeht, sollte das innerhalb von ein paar Wochen zu schaffen sein. Ich habe schon Asphaltierkolonnen gesehen und die machen so eine Strecke an einem Tag. Aber wenn im Vertrag steht dass sie sich Zeit lassen können .. dann schickt die Firma ihre Leute natürlich anderswo hin. Und niemand kümmern die Tonnen von CO2 die durch die völlig unnötigen Umwege anfallen. Von den Schäden an den nicht darauf ausgelegten Umleitungsstrecken ganz zu schweigen. Die ist nämlich jetzt gesperrt.

Oder jene Brücke die bei dem Hochwasser im Juli 2021 vor Speicher weggerissen worden ist. Das THW hat wegen der Wichtigkeit der Straße schnell eine Behelfsbrücke aufgebaut. Die kam dann weg weil sie der Baustelle im Weg war .. und es ist immer noch nicht abzusehen wann die neue Brücke denn fertig ist. Betoniert wurde die im November 2022, es fehlen nur noch die Geländer und der Asphalt ... seit einem halben Jahr. Fertigstellung nicht absehbar.

Die Anwohnerin des Ackers, der ein Gewerbepark werden soll sagt das so schön: "Warum Fortschritt? Es ist doch gut so wie es ist". Das Problem ist nur, dass es eben nicht so weitergehen kann. Um die immer offensichtlicheren Probleme zu lösen gibt es zwei Sichtweisen: die Fortschrittsgläubigen halten es für möglich, dass man damit die Probleme der Zukunft lösen können wird. Die Pessimisten sehen dass sich die Probleme von selbst lösen wenn man sich zurück in die Steinzeit bewegt. Aber wenn der Fortschritt genauso nicht gewollt ist wie der Rückschritt (man schaue nur mal wie schnell sich die Urlaubs-Flugreisen nach dem Corona-bedingten Einbruch erholt haben) und der Weg geradeaus gegen die Wand führt - dann ist der Crash programmiert. Die Doku erwähnt die Brücken: wenn die Brücken schneller kaputtgehen als sie saniert oder ersetzt werden können zeigt die Kurve unaufhaltsam nach unten.

Oder nehmen wir den nächsten Zeitungsartikel: Arbeitsminister Heil will zum Schutz der Paketboten Pakete über 20 Kilo verbieten und die Auslieferung mit zwei Mann per Spedition vorschreiben. Das kann auch nur jemand verzapfen der noch nie was per Spedition geliefert bekommen hat. Speditionen liefern keine Pakete aus, und auch nicht mit zwei Mann. Stückgutspeditionen arbeiten im wesentlichen mit Palettenlogistik und in der Regel sind die Fahrer genauso alleine unterwegs wie die Paketboten. Nur dass sie die Ware per Hebebühne und Hubwagen an die Bordsteinkante stellen. Soll jetzt das ganze Speditionsgewerbe auf den Kopf gestellt werden und die Zahl aller jetzt schon viel zu knappen Fahrer verdoppelt werden? Aktuell kostet ein 31,5 Kilo-Paket bei DHL 16,49 Euro. Gängige Preise für eine Palette per Spedition quer durch Deutschland liegen so um die 80 bis 100 Euro. Bei zwei Fahrern wirds natürlich noch teurer. Und noch dazu ist diese Regelung völlig unnötig - weil das alles schon geregelt ist. In den Arbeitsschutzvorschriften - die Gesetzescharakter haben - steht genau drin, welche Lasten in welcher Position wie oft gehoben werden dürfen. Das scheint der Arbeitsminister aber nicht zu wissen. Und dann sind wir genau in der Situation warum solche Deadlocks entstehen: wenn man zu bereits bestehenden Vorschriften einfach noch weitere erstellt, die im Prinzip dasselbe regeln, aus welcher Motivation auch immer. Kein Wunder dass das Dickicht an Vorschriften immer dichter wird und das Land immer weiter abwürgt und man immer mehr Juristen - der wohl unnützeste Beruf der Welt - benötigt um rechtssicher handeln zu können. Man könnte ja die Paketdienst-Gewichtsgrenze einführen wenn man die Arbeitsschutzvorschrift dafür streicht. Nur dass dann die Maurer mit 50-Kilo-Steinen konfrontiert werden ... und warum sollen die Paketdienste eine Sonderbehandlung bekommen wenn die Verputzer immer noch die 30-Kilo-Säcke in die Putzmaschine hieven müssen?

Mit meinem Steckenpferd der Psychologie lässt sich auch vieles erklären. Was dem Land fehlt ist der Geist der Aufklärung, das Wissen dass es Dinge gibt die nicht schön sind, aber gemacht werden müssen weil es keine Alternative gibt. War auch in der Doku, auf dänisch: "pyt". Dem gegenüber steht eine Gesellschaft, die sich immer mehr an Ideologien festhält und auch immer egoistischer wird. Das stand auch heute in der Zeitung:

Artikel im Trierischen Volksfreund vom 28.07.2023
Artikel im Trierischen Volksfreund vom 28.07.2023

Eine Forschungsgruppe hat ermittelt, dass sich die Menschen immer mehr von der Gesellschaft abkoppeln und in ihren eigenen vier Wänden einen Rückzugsort aufbauen. Also quasi einigeln. Ich hatte das vorher schon im Gefühl dass es in den letzten beiden Jahrzehnten schlimmer geworden ist und dieses Gefühl ist dann tatsächlich wissenschaftlich beweisbar. Und ich habe dafür sogar eine Erklärung parat: es ist aus der Erforschung primitiver Gesellschaften bekannt dass Jäger und Sammler wesentlich altruistischer sind als sesshafte Bauern. Weil die Jäger und Sammler gezwungen sind zusammenzuarbeiten um das Überleben der Sippe zu gewährleisten. Bei den Bauern ist jeder auf sich alleine gestellt. Und wenn man sich die Entwicklung des Arbeitsumfeldes so anschaut dann werden die Arbeitsplätze auch immer einsamer. Wurde früher noch in der Gruppe mit Muskelkraft und Hauruck gearbeitet (es gibt genügend alte Filme dazu), so ist jetzt Homeoffice angesagt. Kein Wunder dass dadurch der Egoismus immer weiter im Vormarsch ist wenn es diesen Zusammenhang zwischen Arbeitumfeld und Egoismus/Altruismus gibt.

Wenn also die Gemeinschaftsanstrengung - dass man individuell Nachteile in Kauf nimmt um die Gemeinschaft voranzubringen - immer mehr in sich zusammenfällt dann wird es schlichtweg unmöglich die Herausforderungen zu bewältigen. Man braucht sich nur die historischen Beispiele anzusehen. Die Indus-Kultur, Angkor Wat, das Römische Reich - es gibt genug untergegangene Hochkulturen bei denen der wachsende Wohlstand gleichzeitig auch den Untergang besiegelt hat. Man darf nicht vergessen, dass die Situation in der wir uns befinden ja nicht gottgegeben, sondern von den Menschen so gewollt worden ist. Bei jedem Gesetz, bei jeder Verordnung gab es jemanden der das wollte. Genauso wurden die Politiker sowohl von den Parteien nominiert als auch von den Wählern gewählt. Und die Amtsträger haben auch die Verwaltung gestaltet. Man hat also genau das bekommen was man gewollt hat.

Natürlich gibt und gab es immer Menschen die die Situation in ihrer Gesamtheit erkannt und beschrieben haben. Oder auch diejenigen die die Ideen und den Willen hätten die Probleme zu lösen, etwas zu verändern. Aber gleichzeitig waren es auch immer diese Menschen die dafür öffentlich Dresche bekommen haben. Wenn man diese Leute machen lässt dann liefern sie auch - die zusammengebrochene Brücke in Genua war nach nur einem Jahr wieder neugebaut. Aber das ist eindeutig die Ausnahme und nicht die Regel.

Mir sind neuerdings zwei Kolumnisten aufgefallen: Ulrich Reitz und Hendryk M. Broder. Beide nehmen kein Blatt vor den Mund und nennen das Kind beim Namen. Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, das beide wahrscheinlich INFJs sind. Oder Michel Friedman, der früher mal die brutalste Talkshow im Fernsehen hatte (der dürfte INTJ sein) - bis man ihn über seine Kokainsucht kaltgestellt hat. Diese Menschen sind natürlich auch nicht perfekt und erzählen manchmal Stuss, aber zumindest denken sie schon mal kritisch nach und liegen meistens richtig. Ich kann es natürlich nicht nachprüfen weil man diese Leute nicht kontaktieren kann, aber ich hoffe dass diese kritikfähig sind. Auf der einen Seite sich darüber aufregen dass Bundestagsabgeordnete nicht wissen wer Bismarck ist und auf der anderen Seite selbst sich zynisch drüber äußern dass die Plakette auf der Raumsonde ("Apollo") das dritte Geschlecht nicht abgebildet hat. Die Plakette war an Pioneer 10 befestigt, Apollo ist zum Mond geflogen, das sollte man wissen. Und warum regen sich diese Leute gegen die Corona-Maßnahmen auf? Der Konsens war, dass Menschenleben an erster Stelle stehen und damit waren die Maßnahmen gerechtfertigt. Man hätte auch die persönliche Freiheit und die finanzielle Situation der Kranken- und Rentenkassen höher bewerten können, dann hätte man die Pandemie auch laufen lassen können. Das hätte auch die Personalsituation in den dann deutlich leereren Altenheimen entlastet. Und bei der Impfgeschichte wäre mein Ansatz gewesen: wer nicht nicht impfen lassen will, schön und gut. Aber dann bezahlt er seine Behandlung selber und bekommt eine niedrigere Priorität wenn er krank wird.

Aber ganz allgemein kann man sagen das viel zu wenig kritisch gedacht und hinterfragt wird und Fortschritt und Ergebnisse anscheinend überhaupt nicht mehr von Bedeutung sind. Und dann manövriert man sich natürlich in eine solche Situation wo irgendwann gar nichts mehr geht. Der Vergleich von Broder passt ganz gut: Man sitzt im Zug und jammert an jeder Haltestelle lauter, weil man in die falsche Richtung fährt und der Weg zurück immer weiter wird. Man bleibt aber weiter sitzen ...

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