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Stuss im Auftrage des Lobbyismus

Heute in der Zeitung: Ein Artikel über das neue Gesetz zur Wiedereinführung der Meisterpflicht für 12 Gewerke. Das heißt: Es ist alles beschlossen und eine öffentliche Diskussion erübrigt sich - wurde darüber überhaupt öffentlich diskutiert? Was mir aber ganz besonders übel aufstößt: Die fadenscheinigen Begründungen eines Gesetzes, das ganz offensichtlich auf der Lobbyarbeit des Handwerksverbands beruht. Den haben die Meisterbetriebe fest in der Hand und mit diesem Gesetz können sie die unliebsame Konkurrenz zurückdrängen - und die Gewerkschaften haben kräftig mitgeholfen.

Artikel im Trierischen Volksfreund vom 13.12.2019
Artikel im Trierischen Volksfreund vom 13.12.2019

Gleich mehrere Personen erwähnen die "Qualität", für die der Meisterbrief stehen würde. Bitte wie? Wann haben diese Leute zuletzt einen Handwerksbetrieb beauftragt und dabei zugesehen? Ich kenne einen großen Fliesenlegerbetrieb (das ist eine der betroffenen Branchen) und ich habe keine Ahnung wann der Inhaber-Meister zuletzt Fliesenkleber an den Fingern hatte. Muss ewig her sein. Der Meister kann ja nur dann für Qualität sorgen wenn er selbst Hand anlegt oder zumindest eine Endkontrolle macht. Beides ist aber heutzutage illusorisch, die Gesellen machen die Arbeit und der Meister ist eher ein Manager, außer bei Kleinstbetrieben wo es außer dem Meister vielleicht noch ein oder zwei Gesellen gibt und die zusammen einen Trupp bilden. Und die Qualität in der Ausbildung - da nur die Meister die Ausbildungsbefugnis haben können die selbstständigen Gesellen ja schlecht die Qualität schädigen. Vielmehr ist das Nachwuchsproblem in vielen Handwerksbranchen darauf zurückzuführen dass die Lehrlinge mehr oder weniger ausgebeutet werden.

Der hintere Abschnitt des Artikels mit den Gegenargumenten liegt richtig: Eine Meisterausbildung kostet immer noch eine Menge Geld und während dieser Zeit gibt es keine Einkünfte während die Gesellen ja schon mitten im Berufsleben stehen, vielleicht schon eine Familie gegründet haben oder - in ländlichen Gegenden - gebaut haben. Bei den Meisterbetrieben war das kein so großes Problem für den Nachwuchs: Der Betrieb hat die Ausbildung für den Erben finanziert. Ohne hier anzusetzen (das kostet natürlich Geld) verschlimmert das Gesetz die Situation also nur. Es gibt natürlich Argumente für die Meisterpflicht: Ein guter Handwerker ist nicht zwangsläufig auch ein guter Kaufmann und Manager und hier hat die Meisterausbildung geholfen. Wenn man aber nur die Hürden erhöht ohne die Leiter mitzuliefern ist niemandem dabei geholfen.

Bisher konnten sich die Gesellen einfach selbstständig machen, selbst Verantwortung für sich übernehmen ohne diese hohe Hürde zu überspringen - und dieser Karriereweg war wohl zunehmend attraktiv laut dem Handwerksverband. Das führte natürlich zu mehr Konkurrenz und da Selbstständige ja keine Gewerkschaftsmitglieder sind waren die Meister und Gewerkschaften natürlich einer Meinung - dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Natürlich gab es da auch Missbrauch in Form von Scheinselbstständigen und Dumpingpreisen und fehlender Altersvorsorge - aber man bekämpft Fusspilz ja auch nicht durch eine Beinamputation. Wenn man das Problem an der Wurzel packen will dann sollte man es Selbstständigen zur Auflage machen einen bestimmten Betrag für die Altersvorsorge anzusparen und diesen Sparbetrag dann auch insolvenzsicher zu machen. Alle in die gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen ist auch nicht besonders attraktiv wenn man seine Rentenbeiträge mal in Form von Rendite betrachtet. Und um diese Aufwendung gegenzufinanzieren auch staatlich garantierte Gründerdarlehen bereitzustellen - denn in der Anfangsphase sind die Gewinne typischerweise eher etwas mau und die Altersrücklage muss demnach am Anfang finanziert werden. Aber es ist ja gerade das höhere Maß an persönlicher Freiheit die die Selbstständigkeit ja attraktiv macht - und wenn man es richtig macht stellt man sich auch im Ruhestand besser. Aber dieses Tor wird jetzt allen Handwerksgesellen vor der Nase zugeknallt und das macht das Handwerk nicht attraktiver in Form von Karrieremöglichkeiten: Einmal Geselle, immer Geselle wenn nicht die Erbtante mir den Meister bezahlt.

Schaut man also hinter die Phrasen entdeckt man - mal wieder - einen krassen Fall eines Gesetzes im Auftrag einer bestimmten Lobby - benachteiligt werden diejenigen die sich - wie sie selbstständigen Handwerker ohne Meisterbrief - nicht richtig organisieren können. Pfui.

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