Skip to content

Die Zeichen stehen auf Sturm

Wie Idealismus eine Industrienation zerstört

Die Information kommt nur in kleinen Häppchen zusammen und ist über ein breites Themenfeld verstreut. Das Bild was sich daraus ergibt ist aber erschreckend. Die Medien berichten über die "Generation Pause", von "NEETs", einer halben Million Menschen die nach der Schule oder dem Studium erst mal nichts tun. Dann soll es eine "Ausbildungsoffensive" geben für 2,5 Millionen Menschen die eben noch nicht einmal einen Schulabschluss oder eine Ausbildung haben, "die müsse man qualifizieren". Oder die Pläne der Bundesregierung die CO2-Steuer kräftig zu erhöhen. Die allgemeinen Klagen vom Arbeitsmarkt über fehlende Fachkräfte. Die in Europa höchsten Energiepreise. Die Klagen über Mitarbeiter die ständig krankfeiern oder sonst das Vertrauen ihrer Betriebe missbrauchen. Oder diejenigen die schon bei Vorstellungsgesprächen die "Work-Life-Balance" ins Gespräch bringen.

Auf der anderen Seite wird der Mindestlohn und die Grundsicherung immer wieder nach oben angepasst um "einen angemessenen Lebensstandard" zu gewährleisten. Wird die Verantwortung betont das jeder Flüchtling ebenfalls einen Anspruch auf ein gutes Leben hat. Werden abgelehnte Asylbewerber geduldet weil eine Abschiebung eine "unwillige soziale Härte" bedeuten würde. Und, und und.

Die Politik wird von Idealisten gesteuert die wohl glauben dass wir auf einer Insel der Glückseligkeit leben würden wo jeder Mensch das Recht hat dass es ihm gut geht, ohne sonstige Bedingungen.

Nur leider ist das vollkommen falsch.

Eine Industrienation wie Deutschland steht in der Realität in einem harten Wettbewerb mit anderen Ländern und wir sind entweder dabei ihn zu verlieren oder haben ihn bereits verloren, wenn man den jüngsten Zahlen glauben kann und wir das einzige Land mit einem negativen Wirtschaftswachstum sind.

Bisher konnte unser Standort die Nachteile immer noch dadurch kompensieren dass es genügend Zupacker gab und innovative Köpfe die es woanders eben nicht gab. Und dieser Vorteil löst sich gerade auf.

Es ist ja schön für die Betroffenen dass wir so eine tolle soziale Absicherung haben, aber gerade hier im Grenzgebiet zu Luxemburg sieht man genau wohin das führt: eine wirtschaftliche Wüste. Das Nachbarland hat einfach ein so viel günstigeres und besseres Sozialsystem (weil viel weniger Bedürftige) dass die Konditionen für die Arbeitskräfte dort so viel besser sind dass jeder der kann dorthin abwandert. Was natürlich den Fachkräftemarkt auf dieser Seite der Grenze völlig zerstört und die Betriebe auch nichts dagegen tun können, weil sie natürlich auch in Konkurrenz mit den Betrieben auf der anderen Seite der Grenze stehen.

Dasselbe gilt im großen Maßstab für die Industrie: wenn es hier wegen zu hoher (Mindest-)Löhne, zu hohen Energiekosten, zu hohen Bürokratiekosten und -bearbeitungszeiten (ein Bahnanschluss für das neue Großunternehmen im Industriegebiet würde ca. fünf Jahre dauern, alleine für die Genehmigung) einfach nicht mehr konkurrenzfähig ist in Deutschland zu produzieren dann werden diese Unternehmen Deutschland den Rücken kehren und die kommen auch nicht wieder. Schließlich leben wir in einer freien Welt wo die Nationen um diese Unternehmen buhlen. Irland hat nicht umsonst jede Menge Großunternehmen angelockt und einen Wirtschaftsboom erlebt indem es mit extrem günstigen Steuersätzen gelockt hat. Und weil entsprechend viele Unternehmen gekommen sind hat es sich trotzdem rentiert, das ist Verkäufer-1x1.

Es gibt über (Familien-)Konzerne den Spruch: "Die erste Generation baut auf, die zweite baut aus, die dritte richtet es zugrunde". In gewisser Weise trifft das auch auf unsere Land zu. Die Generation der Großväter stand nach dem 2. Weltkrieg vor einer Trümmerwüste, es gab keine andere Alternative als zuzupacken, in die Hände zu spucken und wieder aufzubauen. Die Generation der Eltern hat genauso fleißig daran gearbeitet den Lebensstandard weiter zu erhöhen. Und bei der Generation der Kinder scheint dieser Wohlstand jetzt so selbstverständlich geworden zu sein dass der Bezug zwischen Arbeit und Wohlstand verloren gegangen ist. Warum einen harten Fabrikjob oder einen dreckigen Job zu schlechter Bezahlung annehmen wenn die Grundsicherung einen ähnlich guten Lebensstandard ermöglicht, aber das ohne arbeiten zu müssen? Warum sich die "Work-Life-Balance" kaputtmachen wenn man auch pünktlich Feierabend machen kann? Das die 4-Tage-Woche und Homeoffice für alle in greifbarer Nähe ist? Das die Identifikation mit der eigenen Arbeit stark nachlässt und damit die Qualität sinkt?

Früher war das keine Option, Arbeitslosigkeit bedeutete bittere Armut und deshalb war jeder Job akzeptabel. Und die Konkurrenz zwischen den Arbeitskräften hat dafür gesorgt dass man sich angestrengt hat um den Job nicht zu verlieren. Aber die Idealisten haben in ihrem Glauben an eine bessere Welt für alle diesen Zwang aus der Gleichung herausgenommen, in dem Glauben der einmal erreichte Wohlstand ist für immer da und nicht reversibel. Genauso wie manche Menschen im Luxus leben und grenzenlos Geld ausgeben bis auf einmal kein Geld mehr da ist - weil keines mehr hereingekommen ist was man aber als selbstverständlich hingenommen hat.

Und dann hat sich das auch noch in der Welt herumgesprochen und für jeden Wirtschaftsflüchtling ist das natürlich inzwischen die Top-Adresse - weil die Bilder von im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen nicht mit dem Vorstellungen der Idealisten vereinbar sind. Wenn es nur um die Rettung des eigenen Lebens ginge - man könnte ja auch nach Rußland fliehen. Und dabei setzt man sich auch noch über die eigenen Gesetze hinweg - §14 / §95 AufenthG stellt die illegale Einreise unter Strafe, aber es wird anscheinend niemand der ohne gültiges Visum und ohne gültige Papiere kommt und Asyl beantragt deswegen bestraft. Das heißt es wäre in Deutschland nach dem derzeitigen Rechtsstand legal, illegale Einwanderer festzunehmen, die dann ihren (natürlich völlig rechtmäßigen) Asylantrag aus dem Gefängnis heraus stellen könnten. Das wird natürlich nicht gemacht weil es "unmenschlich" wäre.

Diese gesamte Thematik hat nicht nur das Problem, dass es die Arbeitswilligkeit der Bevölkerung erodiert, als Nebeneffekt erstarken auch auch undemokratische, radikale Parteien die zumindest vorgeben das Problem lösen zu wollen.

Dazu kommt noch der technologische Fortschritt der das System noch ganz anders auf den Kopf stellt. Früher war das tatsächlich eine Überlegung, ob man einen teuren Bagger einsetzt oder 20 Männer mit Schaufeln. Die Schaufelmänner als ungelernte Arbeitskräfte waren günstig, auf einen mehr oder weniger kam es nicht an, der Bagger teuer. Inzwischen - aus den oben genannten Gründen - sind die Schaufelmänner so teuer, dass es sich immer rechnet die Maschine zu beschaffen. Die dann auch 24/7/365 arbeitet, keinen Urlaub haben will, nicht streikt und für die die ganzen Arbeitsschutzgesetze nicht gelten. Missbrauch und Vergewaltigung von Maschinen findet zwar statt, ist aber nicht strafbar. Man braucht nur etwas Wartung und Öl und dann ist die Maschine glücklich. Wir leben jetzt in der paradoxen Situation, dass es die Schaufelmänner zwar immer noch gibt, aber diese niemals mehr einen Schaufeljob annehmen würden und es keine Schaufeljobs mehr gibt. Auf den ersten Blick klingt das toll weil sich die beiden letzten Punkte scheinbar gegeneinander aufheben. In der Realität müssen aber alle anderen Arbeitskräfte die Schaufelmänner bezahlen, so ungefähr im Verhältnis 6:1. Und die vorgeschlagene Lösung die Schaufelmänner einfach zu "qualifizieren" scheint auch sehr idealistisch zu sein. Ich kenne jedenfalls kein Qualifizierungsprogramm das aus diesen Menschen Softwareingenieure machen kann, die werden händeringend gesucht.

Dass die deutsche Energiewende genauso ein Projekt ist was mehr von Idealismus getragen wird als den realistischen Anforderungen einer Energieinfrastruktur (wie Verfügbarkeit und Kosten) hatte ich ja bereits ausführlich in vorherigen Artikeln beleuchtet.

All das führt unweigerlich dazu, dass unser Land den absteigenden Ast betritt bzw. betreten hat, ich kann nur noch nicht sagen wo genau das hinführt. Schön wird dieser Weg jedenfalls nicht sein.

Das alles soll aber nicht heißen dass ich selbst nicht auch ein Idealist bin. Ich sehe die Probleme auf die die Welt hinsteuert sehr genau, angefangen beim Klimawandel und dem ausufernden Kapitalismus der zu wachsender Ungleichheit führt. Und ich sehe auch das Dilemma, dass eben jeder Versuch aus diesem Idealismus heraus mit einem Sonderweg diese Probleme anzugehen das betreffende Land unweigerlich auf die Verliererseite bringt. Was ich zwar nicht ganz verstehe, denn in Bezug auf den Ukraine-Krieg war das ständig wiederholte Mantra: "keine Sonderwege".

Und es ist ja gerade dieser internationale Hexenkessel der mich befürchten lässt dass die Menschheit diese Probleme nicht lösen können wird. Weil jeder der es alleine versucht automatisch Opfer der Wölfe wird. Und der Konsens wenn überhaupt minimal ist, siehe die regelmäßig enttäuschenden Klimagipfel. Gibt es noch Hoffnung? Vielleicht. Wenn man überhaupt erst einmal einen Plan hat und eine internationale Koalition zusammenbekommt die stark genug ist diese Ziele durchzusetzen.

Vielleicht lässt sich das am Beispiel China und Taiwan am besten illustrieren. Die Volksrepublik China besteht ja darauf, dass sie der alleinige Vertreter Chinas ist und jedem die Zusammenarbeit aufkündigt der Taiwan offiziell anerkennt. Und deshalb ja auch sich die Rückeroberung der Insel vorgenommen hat. Aber solche Probleme haben immer zwei Seiten. Ein solcher Schritt muss natürlich im Geheimen vorbereitet und abgestimmt werden, aber wenn die G7 inklusive EU, Nato, Südkorea und Australien geschlossen Taiwan anerkennt und Verteidigungsbündnisse abschließt, was könnte China dann machen? Nichts. Vor allem wenn in dem Vertrag eine ähnliche Ausschlussklausel ist dass wenn China die Zusammenarbeit mit einem Land aufkündigt das auch für alle anderen gilt. Chinas Wirtschaft würde einfach zusammenbrechen wenn praktisch der komplette Exportmarkt wegfällt.

In anderes Beispiel - was dann aber ultimativ gescheitert ist - war die Finanztransaktionssteuer. Ein Land in der EU kann das nicht alleine beschließen. Wenn aber die EU geschlossen diesen Schritt gehen würde stehen die Chancen noch besser, wenn man die USA und England noch dazubekäme wäre die Birne geritzt.

Es gibt in den USA das Bestreben das Demokratiedefizit bei der Präsidentenwahl - dass man mit einer Minderheit der Gesamtstimmen trotzdem Präsident werden kann - zu beseitigen indem sich eine Reihe von Bundesstaaten dazu verpflichtet ihre Stimmen demjenigen zu geben der die Mehrheit der Gesamtstimmen erhält. Sobald diese Staaten selbst eine Mehrheit nach dem bisherigen System haben wäre das damit durch.

Der einzige Weg aus der Krise scheint mir also der zu sein, erst einmal überhaupt einen Plan zu haben und dann genügend weitsichtige Mitstreiter auf diplomatischem Weg zu gewinnen um einen Block zu bilden der einfach so groß ist dass man die Welt retten kann ohne dabei ständig befürchten zu müssen auf der billigen Egoismusschiene außen überholt zu werden. Solche Sachen haben schon funktioniert, die USA haben ihre eigene Wirtschaftsmacht ja bereits erfolgreich benutzt um die europäischen Bankgeheimnisse auszuhebeln, die ja auch zunächst als in Stein gemeißelt erschienen. Als aber festgelegt wurde dass das Vermögen aller Amerikaner auch im Ausland so besteuert werden muss wie im Inland und entsprechender Druck dahinter war sind sie alle der Reihe nach umgefallen, selbst die Schweizer.

Möglich ist das. Ob es aber realistisch ist? Wahrscheinlich nicht, was ultimativ fatal ist. Als Reaktion darauf ist aber der nationale Sonderweg eben genauso fatal, wahrscheinlich sogar nur schneller und ultimativ damit sinnlos.

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.
Formular-Optionen

Sie können auch über neue Kommentare informiert werden ohne einen zu verfassen. Bitte geben Sie ihre email-Adresse unten ein.