Fremdsprachen und Übersetzungen
Dies hat sich jetzt mehr zufällig ergeben als ich einen Kommentar zu einem Youtube-Video verfasst habe. Ich fand es aber so gut dass ich daraus einen kleinen Artikel machen wollte. Es geht um meine Affinität zu Fremdsprachen, Sprachen lernen und die Feinheiten.
In der Schule hatte ich das seltsamste Zeugnis meiner ganzen Stufe: Alles glatt zwei und besser und Französisch fünf. Englisch hatte ich abgewählt. Das war ein Fehler, der aber daran lag dass mein Französischlehrer in der 10. ziemlich großzügig war und die Englischlehrerin ziemlich scharf so dass meine Englischnoten tatsächlich schlechter waren als die französischen. Da ich aber nie jemand war der richtig pauken konnte - und das schließt ja das Vokabellernen mit ein - war mein Wortschatz klein und die Rechtschreibung katastrophal. Und da gibt es die Regel bei einer Kursarbeit dass wenn die Rechtschreibung ungenügend ist die ganze Arbeit - unabhängig davon was man überhaupt schreibt - nicht besser sein kann als fünf. Na ja, ich wusste dass ich mit offensichtlichem Bemühen nie eine sechs aufs Zeugnis bekommen werde - mündlich bekommt man immer eine vier minus wenn man sich bemüht - und mit der französisch fünf war das Abi bei dem Rest nicht gefährdet. Also habe ich - schon damals ganz der auf Effizienz bemühte INTJ - meine Anstrengungen in dem Fach auf das nötige Minimum beschränkt.
Okay, ein bisschen angeben muss ich hier dann doch: Meine Hauptfächer waren - schwer zu erraten - Mathe, Physik und Geschichte und als viertes mündliches Fach kam beim Abi dann Deutsch dazu. Der Geschichtslehrer war einer von der Sorte bei dem es quasi unmöglich war eine Eins zu bekommen, aber ich hätte sowohl in Mathe als auch in Physik 15-Punkte-Abis schreiben können, das habe ich in der letzten Klausur vor dem Abi geschafft. Hat leider nicht ganz geklappt, der Mathelehrer war etwas instabil in seinen Klausuren und die Abiturprüfung war deutlich schwerer so dass sämtliche Einserkandidaten es nicht hinbekommen zu haben die gegebene Formel zu differenzieren und weil kein Zwischenergebnis gegeben war war der ganze Aufgabenblock hin. Grässlich, vor allem weil das die erste Aufgabe in der ersten Prüfung war - so einen kalten Schweißausbruch und verzweifeltes rechnen hatte ich danach glaube ich nie wieder. Solche Aufgaben sind einfach wenn man keinen Fehler macht, macht man einen Fehler wird bei jeder Ableitung die Formel immer komplizierter ... dafür habe ich in Deutsch viel besser abgeschnitten als geplant weil ich mir das mündliche Prüfungsthema ja aussuchen konnte und der einzige Autor bei dem ich mit meiner Art zu denken punkten konnte war Kafka. Jedenfalls musste ich mir keine Sorgen machen und durfte eine Französisch-Lusche sein.
Danach war ich froh, mit Fremdsprachen nichts mehr am Hut zu haben. Der erste Einschlag kam mit Harry Potter. Ich fing glaube ich damit an als der dritte Band auf deutsch herauskam, und wie sehr viele Fans habe ich gemerkt, dass es den nächsten Band ein paar Monate früher im englischen Original gab. Mein Englisch war sehr holperig und am Anfang war der kleine gelbe Langenscheidt mein liebster Begleiter, aber die Faszination für die Story war größer als die Hindernisse. Gleichzeitig nahm auch die Bedeutung des Internets zu und ab und zu stieß man ja unweigerlich auf englische Seiten. Aber selbst bei Harry Potter war es so, dass ich jedes Buch auch in der deutschen Übersetzung gekauft habe, denn den flüssigen Lesegenuss hatte ich auf englisch noch nicht.
Wirklich geändert hat sich das erst als ich auf der Suche nach den Klassikern der Fantasyliteratur auf Memory, Sorrow and Thorn gestoßen bin. Das Buch war damals in der deutschen Übersetzung vergriffen und für das einzige Gebrauchtexemplar (vier Bände) wollte der Besitzer über hundert Euro. Es war also simpler Geiz der mich dazu gebracht hat die englische Taschenbuchausgabe zu kaufen und dabei habe ich auch gemerkt, dass englische Bücher viel billiger sind, die kosteten nur etwa fünf Euro pro Stück und hatten jeweils 600 Seiten oder so.
Und dann nahm mein Englisch richtig Fahrt auf ... je mehr man kann, desto flüssiger kann man lesen denn ab einem gewissen Punkt muss man einzelne fehlende Wörter gar nicht mehr nachschlagen weil sie sich aus dem Kontext ergeben. Nach Memory, Sorrow and Thorn habe ich dann mit den 13 Bänden von Sword of Truth weitergemacht. Und wer nach einem laufenden Meter Bücher kein Englisch kann dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Irgendwann habe ich mal auf Zeit gelesen: Auf deutsch schaffe ich vielleicht 600 Wörter pro Minute, auf Englisch waren es dann irgendwann 400. Und das ganze ganz natürlich und ohne Grammatik und Vokabeln büffeln zu müssen.
Und jetzt komme ich endlich auf das zu sprechen was ich in dem Kommentar geschrieben habe: Ich hätte mir das in der Schule nie vorstellen können, aber wenn man eine Sprache wirklich kann, dann denkt man in dieser Sprache. Man liest nicht mehr so dass man den Satz übersetzt um ihn zu verstehen sondern aus dem englischen Text bildet sich direkt der Film der im Kopf abläuft. Und genauso funktioniert das auch anders herum: Man will etwas sagen und dafür springen die englischen Wörter ins Hirn. Der lustige Punkt an der Sache ist jetzt der dass man dabei merkt, dass wortwörtliches Übersetzen einfach nicht möglich ist. In dem englischen Kommentar habe ich bei den Harry-Potter-Büchern absichtlich das deutsche Wort "Initialzündung" verwendet. Das gibt es zwar prinzipiell auch auf Englisch, würde aber niemand so in dem Zusammenhang schreiben. Auf englisch würde es heißen "it sparked my interest" - da ist also auch ein Zündfunke involviert, aber das ist ein Verb und kein Nomen, also kommt ein ganz anderer Satz dabei heraus. Und das ist auch das Problem wenn man übersetzte Bücher liest: Ich kann das nicht mehr, das liest sich irgendwie komisch. Ich hatte selbst mal die Idee, ein Buch von einem Independent-Autoren (Zero Sight von B. Justin Shier) auf Deutsch zu übersetzen und habe das für das erste Kapitel probehalber mal gemacht und ihm zugeschickt - reagiert hat er nie darauf. Dafür habe ich vergleichshalber auch mal Harry Potter im Original und der Übersetzung nebeneinandergelegt: Es wird wirklich Satz für Satz und ziemlich nah an Wort für Wort übersetzt. Das Problem dabei ist aber einfach, dass die Eleganz der Zielsprache dabei leidet. Wenn man elegant schreiben will, dann muss man sich weiter von der Vorlage entfernen und teilweise auch die Sätze ganz anders aufteilen. Ich glaube aber dass das der Übersetzerkodex verhindert, der möglichst hohe Werktreue verlangt.
Und dann gibt es das Problem, das manche Redewendungen ziemlich genau übereinstimmen, manche etwas und manche gibt es in der Zielsprache überhaupt nicht. Wie im Beispiel oben die Initialzündung die im Englischen der Funke ist. Oder als Nomen: Eine Segeljolle hat auf Deutsch ein Schwert und auf Englisch einen Dolch (dagger). Man weiß instinktiv was gemeint ist, es ist aber nicht dasselbe. Und mein Lieblingsbeispiel für unübersetzbare sprachliche Eleganz ist aus dem ersten Band von Sword of Truth wo der Drache zu dem Helden sagt der in seinen Unterschlupf eindringt: "Oh what a tasty threat!". Die offizielle deutsche Übersetzung habe ich vergessen, die war völliger Mist. Mit den fünf Worten impliziert der Drache ja, dass er den Mut des Heldens als Angreifer anerkennt, aber die angebliche Gefahr nur hypothetisch ist und der Ritter sich eher als Snack betrachten sollte. Viel Bedeutung für fünf Worte, die sich noch dazu reimen. Nachdem ich tagelang darüber nachgedacht habe (was man im normalen Übersetzerbuisiness nicht machen kann) war die beste Übersetzung die mir eingefallen ist: "Oh, ein appetitlicher Angreifer!" und selbst das kommt nicht so ganz hin weil man hier eher "Herausforderer" oder "Herausforderung" nehmen müsste was sich dann aber nicht mehr reimt.
Im täglichen Leben führt das dann halt dazu, dass einem manchmal in einer Situation ein englischer Satz einfällt der genau auf die Situation passt, dummerweise ist man aber gerade in einer deutschen Umgebung die ihn nicht verstehen würde ...
Comments
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Christine on :
Hallo Stephan!
Ich bin deiner Meinung, wenn du mehr oder weniger den Unterricht in Fremdsprachen an der Schule verwirft. Die meisten, so scheint mir, haben durch Harry Potter sich richtig ins Englische gekniet????das hat, denke ich kein anderes Buch vorher geschafft!
Ich halte es da auch eher mit Vera Birkenbihl. Sie hat hier einen sehr guten Ansatz. Es ist halt wie bei allem: Wenn der Anreiz fehlt, funktioniert es nicht wirklich.
LG Christine
Steffi on :
Hey Stephan,
was soll ich sagen... mir geht es da genau wie dir. Und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie froh ich darüber bin, dass das bei dir auch so ist. Meine Freunde sind immer der Meinung, ich spinne wenn ich behaupte, mir würde das deutsche Wort gerade nicht einfallen. Aber manchmal passt das Englische eben besser.
Liebe Grüße vom INFJ-Blog!