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Depression

Nun zu einer der Schattenseiten eines Enneagramm 5-1 INTJ. Es trifft mich gottseidank nur selten, aber Depressionen sind nicht schön. Gerade der Perfektionismus des Enneagramm 1 ist besonders dafür anfällig, wenn eben Dinge nicht mehr perfekt sind, was schon durch natürlichen Gebrauch passiert. Anders gesagt: Als Kleinkind konnte ich es nicht haben, wenn die Kette der Würstchen zerschnitten wurde, oder etwas aus dem Laden getragen wurde. Solange man sich in einem gesunden Gleichgewicht befindet, kann man damit noch gut leben, aber in einer depressiven Phase ziehen einen solche Dinge immer noch ziemlich runter. Klar, ich passe auf meine Sachen auf damit sie eben möglichst keine Gebrauchsspuren bekommen, aber ganz vermeiden lässt sich das nicht. Im gesunden Zustand kann man auch gut damit leben, denn wenn erst mal zwei Schrammen in etwas drin sind, ist die dritte nicht mehr tragisch. Es gehört zu den ungelösten Problemen, die ich mit mir herumtrage. Man hat ja auch Gebrauchsspuren am eigenen Körper, und da kann man ja auch nichts dran machen. Oder nehmen wir unsere 5'' Dampflokomotive: Wir sind ja schon einige Kilometer damit gefahren und jetzt stellt sich heraus, dass nicht alles auch für längeren Gebrauch konstruiert ist. Vieles ist einfach gleitgelagert und diese Lager schlagen sich auch aus, so dass die ganze Steuerung immer mehr Spiel bekommt. Das kann man zwar alles mit mehr oder weniger Aufwand wieder in Ordnung bringen (aufbohren und Lagerbuchsen einsetzen) und hält auch noch eine Weile so, ist aber eben auch nicht für die Ewigkeit gemacht. Das macht einem Perfektionisten schon ziemlich zu schaffen, wenn trotz aller Bemühungen der Verschleiß schneller ist als die Reparaturen.

Bis zu einem gewissen Grad kann man sein Unterbewusstsein mit Prokrastination da auch austricksen: Zum Beispiel habe ich einen Satz von Parallelunterlagen, 8 Paare von 6 bis 20 mm Stärke. Und seit einiger Zeit fehlt eine, die trotz aller Suche nicht mehr auffindbar ist. Ich habe einen kompletten neuen Satz (gibt die Teile auch nicht einzeln) auf die Bestellliste geschrieben und witzigerweise funktioniert das: alleine die Absicht, den Missstand zu korrigieren zählt schon als Lösung um mit dem nicht-perfekten Zustand leben zu können. Nur muss ich natürlich dann auch tatsächlich einen neuen Satz bestellen wenn ich von der Firma noch mal was brauche. Oder eben besagter Verschleiß: die ganzen Lagerstellen neu auszubüchsen ist technisch kein Problem, steht auf der Liste und solange es hält kann man ja weiterfahren. Es ist eben nur blöd, dass man sich manchmal selbst so betrügen muss um mit dieser Schattenseite der Psychologie leben zu können. Und wenn besagte Lösung dann im Ernstfall nicht funktioniert ist die Depression nicht weit - oder aber wenn die Entropie mal wieder schlagartig zunimmt (das ganze Problem basiert ja auf dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und ist damit eines der fundamentalsten Naturgesetze überhaupt: In einem geschlossenen System [ohne Energiezufuhr] kann die Entropie [die Unordnung] immer nur zunehmen). Wenn also gleich mehrere Dinge in der direkten Umgebung sich schlagartig verschlechtern ist das nicht gerade stimmungsaufhellend.

Das ganze ist dann auch noch ein Teufelskreis: Durch die depressive Stimmung nimmt die Motivation ab, und um es physikalisch zu sagen damit die Energiezufuhr zur Verringerung der Entropie: statt möglichst viel fertig machen zu können, wird die Liste der unfertigen oder reparaturbedürftigen Sachen immer länger was wiederum noch mehr Motivation frisst. Ich würde ja auch gerne meine persönliche Entropie senken indem ich endlich einen Partner fürs Leben finde, gleichzeitig sind aber alle Bemühungen fruchtlos und neue Möglichkeiten fallen mir nicht ein. Das tut einfach nur weh. In solchen Fällen würde eine externe Energiequelle wohl Wunder wirken.

Was auch noch in diese Rubrik fällt, ist die Selbstgeißelung mit "was wäre gewesen, wenn ...?". Es scheint etwas nachgelassen zu haben, aber früher habe ich mich ständig über vergangene Situationen verrückt gemacht, bei denen etwas schlimmes hätte passieren können. Wie es die Grammatik schon sagt: Es ist nichts passiert, aber manchmal hat man eben nicht optimal gehandelt und es hätte auch schief gehen können. Das ist zwar für die persönliche Entwicklung eine prinzipiell gute Sache um zukünftige Unfälle von vornherein zu vermeiden, wenn es aber exzessiv wird und man quasi in einer Endlosschleife gefangen ist und diese Beinaheunfälle wieder und wieder analysiert - auch nicht schön. Andere Typen haben da mit einer "Schwamm drüber" - Mentalität deutliche Vorteile, wenngleich Sie vielleicht auch - wenn Sie das zu locker sehen - gerne mal eine nötige Lektion nicht lernen.

Und noch etwas belastet mich häufiger, das ist aber typisch J: In der Schwebe hängende Sachen (das berühmte Damoklesschwert) kann ich nicht leiden. Ich habe meine Zukunft gerne organisiert und wenn ich etwas jetzt erledigen kann, dann mache ich das auch, dann muss das in meine Zukunftsplanung nicht mit einbeziehen. Dummerweise gibt es eine andere Fraktion, denen es viel lieber ist, etwas einfach auf die lange Bank zu schieben und sich nicht jetzt darum kümmern zu müssen. Im Zuge der ALNO-Insolvenz haben wir wegen Fehlteilen eine ganze Reihe Rechnungen nicht bezahlt. Wie ich das bei einem ähnlichen Fall gelernt habe, will aber möglicherweise irgendwann jemand diese Kohle haben, damals sind wir Jahre später von der Factoring-Gesellschaft verklagt worden. Ich wäre also bereit gewesen, um die Sache vom Tisch zu haben einen Deal mit dem Insolvenzverwalter zu machen und das per Verhandlung zu lösen, die hatten aber absolut kein Interesse an Verhandlungen und haben sich offengehalten, ob sie nun die Außenstände einklagen oder nicht. Für mich bedeutet das eben mal wieder Ungewissheit, weil ich das nicht planen kann weil es ja nicht in meiner Entscheidungssphäre liegt.

Für eine gewisse Zeit komme ich mit überwältigen Problemen ganz gut klar - das ist schließlich eine INTJ-Stärke - aber irgendwann merkt man auch, dass die Fähigkeit hier endlos Überstunden zu schieben und per Salamitaktik den Berg nur scheibchenweise angehen zu können begrenzt ist. Es würde wahrscheinlich Wunder wirken wenn man mal vier Wochen Urlaub machen könnte ohne an all das denken zu müssen wenn währenddessen jemand anderes meinen Platz einnimmt. Leider ist das eine vollständige Illusion, denn wenn ich Urlaub machen würde, wäre alles nur noch viel schlimmer weil sich während meiner Abwesenheit wohl kein Problem löst, dafür aber noch viel mehr dazukommen würden, die ich dann auch noch aufholen müsste. Das ist leider die Schattenseite der Selbstständigkeit mit einem Kleinunternehmen: Niemand macht deinen Mist, wenn Du mal Urlaub machen willst.

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