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Bürger und Staat

In einem anderen Artikel habe ich geschrieben dass sobald die menschlichen Gesellschaften groß genug waren um eine solche tragen zu können sich eine herrschende Oberklasse herausgebildet hat. Eine Staatsbildung als solches ist ja ein relativ junges Phänomen, das in etwa mit der amerikanischen und französischen Revolution beginnt. Vorher war ja die erbliche Aristokratie die Regel und berühmt ist der Spruch Ludwigs des XIV.: "L'État est moi" - der Staat bin ich.

In meinem Ärger über die Bürokratie habe ich mir einmal Gedanken darüber gemacht welches Staatsverständnis es überhaupt gibt. Grundsätzlich gibt es da zwei Betrachtungsweisen: Die eine besagt, dass es in einer menschlichen Gesellschaft Aufgaben gibt die nur im gemeinsamen Zusammenwirken bewerkstelligt werden können - wie zum Beispiel Verteidigung und Infrastruktur - und dass der Staat deshalb von seinen Bürgern damit im allgemeinen Interesse beauftragt wird. Hier ist also der Staat Diener des Volks.

Und die zweite ist eben im Sinne Ludwigs: Es gibt eine staatsbildende Minderheit, die aufgrund höherer Umstände (früher hieß das Gottesgnadentum, mittlerweile ist es Gewohnheitsrecht) damit beauftragt wurde über alle Bürger hoheitliche Aufgaben zu übernehmen, zu herrschen und die Bürger haben sich beherrschen zu lassen was schlussendlich mit dem staatlichen Gewaltmonopol sichergestellt wird. Hier sind also die Bürger Diener des Staates.

Die Frage ist nun: Was haben wir nun ein einer westlichen Demokratie? So verlockend es klingt, wohl kaum die erste Version. Denn danach wären Steuern ja nur notwendiges Übel und bevor ich eine Steuer überhaupt einziehe müsste ich deshalb erst einmal prüfen ob nicht das Einziehen mehr kostet als die Steuer überhaupt einbringt da dies ja die Bürger als gesamtes schädigen würde. Oder überhaupt dass sich der Staat den Bürger für die ihm auferlegten Bürokratiekosten entlasten müsste.

Daraus folgert auch die Argumentationslinie: Wenn der Staat der Diener ist, dann hat der Bürger grundsätzlich einen Anspruch auf die staatlichen Leistungen und auch einen Anspruch auf Entschädigung wenn diese Leistungen ausfallen. Die Realität ist aber eine andere: Die Rechtsprechung sagt mehr oder weniger dass der Staat immer Recht hat. Man versuche einmal als Bürger den Staat für irgendetwas haftbar zu machen, das geht in Deutschland praktisch nicht. Denn es handelt sich eben nicht um eine staatliche, vom Bürger bezahlte Dienstleistung die nicht oder fehlerhaft erbracht wurde sondern um eine nicht gewährte Wohltat ohne Rechtsanspruch.

Der Staat behauptet zwar gerne im Dienst der Bürger zu stehen, die Realität verweist aber sehr stark auf Variante zwei.

Nehmen wir das luxemburgische Entsendungsgesetz: Demnach muss ich für jeden Einsatz meiner Arbeitskräfte im Ausland nachweisen dass diese ärztlich untersucht wurden, den Mindestlohn erhalten, der Arbeitsvertrag den Bestimmungen entspricht und auch die Arbeitszeit den Bestimmungen entspricht und sie sozialversichert sind. Das bedeutet jeden Monat einen Haufen Dokumente für jeden Mitarbeiter die einzuscannen und hochzuladen sind.

Ein luxemburgisches Unternehmen muss das alles nicht. Natürlich muss es auch die gleichen Regeln einhalten, da kommt aber der Prüfer ins Unternehmen und sucht sich falls erforderlich die Unterlagen selbst heraus. Es handelt sich also im Falle eines ausländischen Unternehmens um einen Mehraufwand alle Unterlagen zu bringen. Nach dem Dienststaatsprinzip müsste ich also für diesen Mehraufwand entschädigt werden. Das ganze riecht aber stark danach (oder hat auf jeden Fall den Nebeneffekt) dass ausländische Unternehmen hier bewusst benachteiligt werden indem sie die Unterlagen im vorauseilenden Gehorsam vorlegen müssen. Ganz zu schweigen davon dass es sich hierbei ja um Schutzmaßnahmen für die Arbeitnehmer handelt die aber in meinem Fall ja gar nicht geschützt werden wollen. Wenn ich sie mies behandeln würde und ihnen zu wenig zahle, zu zuviel Arbeit zwinge oder keinen Urlaub gewähre dann würden sie einfach gehen. Und wenn meine Firma wegen zu hohen Kosten unrentabel wird hilft es den eigentlich zu schützenden auch nicht wenn sie dann zwar geschützt, aber arbeitslos sind. (Das war die Pointe bei der Schlecker-Pleite die irgendwo anfing als die Gewerkschaften Druck bezüglich der Arbeitsbedingungen gemacht haben. Die Schlecker-Frauen waren danach zwar geschützt, ihr Arbeitsplatz war aber weg).

Und sobald es um soziale Umverteilung geht wird es ganz dünn: natürlich ist sozialer Frieden im Sinne der ganzen Gesellschaft. Aber daraus dann ein Recht abzuleiten hier nach Belieben umzuverteilen solange sich eine parlamentarische Mehrheit dafür findet wird schon sehr grenzwertig. Dann wäre es mir lieber man würde auf die ganze Falschheit verzichten und von vornherein klarmachen wer hier das Sagen hat und dass der Bürger gefälligst zu gehorchen und zu zahlen hat und dabei nur proforma alle paar Jahre seinen Willen durch zwei Kreuze bekunden kann.

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- man vergleiche diese Willensäußerung mit diesem Blog ...

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Christine Schmitt am :

Lieber Stephan!
Ich muss dir zustimmen! Man meint ja, das wenn man sich an den Staat wendet, das dann eigentlich soziale Gerechtigkeit stattfindet! Ich kann hier aus dem Nähkästchen plaudern! Solange ich beim Jobcenter bin, muss ich schon im Voraus sparen, denn eine Nachzahlung kann innerhalb von 12 Monaten erfolgen. Hier kann dann zb einfach einen Betrag vorausgesetzt werden, der de facto gar nicht da war. Zb müsste eine Freundin Geld zurückzahlen, die sie von ihrer Arbeitsstelle nie bekommen hätte! Weil eben einfach eine Hochrechnung stattgefunden hat. Auch ein eingeschaltetem Rechtsanwalt konnte nur darauf hinweisen, daß die gesetzliche Lage so ist. Hier wurden also die Richtigen Spezialisten eingesetzt, die die Gesetzgebung zugunsten des Staates aber nicht zugunsten der hilfsbdürftigen Bürger gestaltet haben! Mein Spruch ist immer, man kann sich das Jobcenter nicht leisten, ausser man hat vermögende Freunde!!

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