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System Error

Eine extrem informative Dokumentation von Florian Opitz, die bestürzt und zum Nachdenken anregt. Lief jetzt in voller Länge in der Wiederholung auf tagesschau24. Der Tenor ist klar: Die Finanzmärkte glauben, dass es ewiges Wachstum geben muss, damit die Wirtschaft funktioniert. Auf der anderen Seite leben wir auf einer Kugel und jeder Mathematiker und jedes kleine Kind kann sagen, dass die Oberfläche einer Kugel eben endlich ist. Und das führt zu der abstrusen Situation, dass die Finanzmärkte fröhlich weiter wachsen während die Realwirtschaft stagniert. Optiz zitiert auch sehr viel Karl Marx, der vieles schon vor 150 Jahren vorausgesehen hat. Und es wird auch Professor Tim Jackson zitiert mit den Worten: "Unendliches Wachstum gibt es nur bei den Parasiten die am Ende ihren Wirt umbringen".

Die Wahrheit ist natürlich wie immer äußerst komplex aber mir sind dabei gleich mehrere Sachen dazu eingefallen. Und ich will auch ein paar Sachen aus Perilous Waif, einer Science Fiction-Story von E.William Brown zitieren. Der Autor hat zuerst eine sehr pornografische Fantasyreihe geschrieben um dann den Sex wegzulassen und eine sehr intelligente Science-Fiction zu schreiben bei der er sich wirklich plausible Gedanken gemacht hat wie denn eine Zukunft aussehen wird.

Dazu gehe ich erstmal hin und ignoriere die Finanzmärkte völlig. Klar, Geld ist das Blut der Wirtschaft, es zirkuliert und nur mit Geld kann man sich Sachen kaufen. Um aber Wachstum zu verstehen hilft es, das System wie in der Mathematik zu differenzieren und nur auf die Veränderung zu schauen. In dem Beitrag wird auch Anthony Scaramucci (Trump-Anhänger ...) zitiert: "Wir sind seit 5.500 Jahren gewachsen und warum soll das keine 5.500 weitere Jahre mehr so gehen". Vor 5.500 Jahren gab es nach Wikipedia etwa 4 Millionen Menschen auf der Welt, inzwischen sind wir bei knapp 8 Milliarden. Die Anzahl der Menschen hat sich also vervielfältigt und der Lebenstandard der Menschen auch - aber sehr differenziert. Es gibt deutlich weniger als 4 Millionen Superreiche, einige hundert Millionen Menschen denen es relativ gut geht und mehrere Milliarden die in sehr armen Verhältnissen leben.

Ein Aspekt den ich schon vorher angesprochen habe ist die Energieversorgung: Im Moment leben wir zum größten Teil auf Pump und zehren von den fossilen Energievorräten, deren Verbrauch sich tatsächlich bisher steigern ließ. Aber ganz klar ist da bald Ende im Gelände und das gleich aus mehreren Gründen: Die Vorräte gehen zur Neige und die negativen Folgen explodieren. Temporär kann sicherlich die Kernenergie in die Bresche springen und für die Zukunft Energie bereitstellen, bei ungebremstem Wachstum würden wir aber auch deren Möglichkeiten erschöpfen. Der Energieverbrauch ist aber ein guter Gradmesser für den Wohlstand einer Gesellschaft. So wie ich das sehe gibt es für die Zukunft nur eine Möglichkeit: Die Menschheit muss zahlenmäßig schrumpfen, während sich das Wohlstandsgefälle verkleinern muss.

Der zweite Aspekt den man dafür betrachten kann ist die Wertschöpfung: Diese Resource ist tatsächlich unendlich, denn solange Menschen auf der Welt leben, können diese ja etwas mit ihrer Zeit anfangen und Werte erschaffen. Das können materielle oder immaterielle Güter sein: es kann also ein Bauer sein der aussät und erntet oder eben ein Programmierer der eine Software schreibt. Dieser Wertschöpfung gegenüber steht der Verbrauch: Die Früchte des Bauern werden gegessen, der Verschleiß frisst Maschinen und der technologische Fortschritt macht alte Software obsolet. Die Wertschöpfung wird also von drei Faktoren limitiert: Von der (begrenzten) Anzahl der Menschen die etwas erschaffen können und der dazu umgekehrten Kurve des für die Selbsterhaltung nötigen Verbrauchs in Relation mit der Selbstregeneration der natürlichen Resourcen. Physikalisch erhält die Erde entropisch von der Sonne eine Energie in höherer Temperatur als sie ins Weltall abstrahlt und dieses Gefälle kann man ja nutzen.

Um jetzt allen Menschen auf der Welt ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen (und das ist meiner Meinung nach ein ethisch hochstehendes Ziel) kann man diese Faktoren zueinander in Relation setzen und dann das Optimum aus der Kurve herauslesen. Was E. William Brown und Florian Optiz wohl richtig sehen: In Zukunft wird praktisch jede Routinearbeit von Maschinen erledigt werden können. Und Faktor zwei: Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in Zukunft sehr viel länger leben können. Das allgemeine Wohlstandsniveau ist damit einfach eine Division der vorhandenen Gesamtresourcen durch die Anzahl der Menschen, denn es wird in Zukunft einfach nicht mehr nötig sein dass viele Bauern auf den Feldern schuften um dem Fürsten ein Leben in Luxus zu ermöglichen. Wir können alle Fürsten sein während die Maschinen auf den Feldern arbeiten. Aber es müssen sich aber eben alle Fürsten den Sack Gold teilen.

Langfristig muss also die Weltbevölkerung sinken und mit etwas Glück wird sie das auch von alleine machen denn alles was nur unter Zwang funktioniert ist langfristig zum Scheitern verurteilt. Die Coronakrise hat ja eindrucksvoll gezeigt, was sich vorher an der Niedrigzinspolitik in Europa schon ablesen ließ: Der Mensch wird des Konsums müde und kann auch auf einen guten Teil des Konsums verzichten ohne dass die Welt gleich zusammenbricht. Ein Beispiel im Film war ja die Luftfahrtbranche die zum Zeitpunkt des Drehs in sagenhaftem Wachstum begriffen war. Und jetzt auf einmal stellt sich heraus, dass die Menschheit gar nicht so viel fliegen muss um glücklich zu sein und die Lufthansa braucht jetzt eine Milliardenstütze. Bei Boeing standen schon vorher die ganzen 737MAX auf Halde und Airbus hat das Produktionsende seines A380 verkündet. Wenn man also an die weltweite Spitze des Konsums schaut, ist die aus der Virologie bekannte Abflachung der Kurve schon sichtbar. Natürlich könnten die Menschen in Deutschland ganz im Sinne der Finanzmärkte Kredite aufnehmen und weiterkonsumieren, die Zinsen sind so niedrig wie nie und was passiert? Es wird eben nicht konsumiert sondern abgewartet.

Das Niveau in Deutschland oder den USA ist natürlich immer noch zu hoch um als Richtwert für die restlichen Milliarden Menschen zu dienen. Wenn ich raten müsste, müsste man mit einer zweifachen Halbierung aber schon in den Bereich kommen wo es allen Menschen wirklich sehr gut geht und die Energievorräte für tausende Jahre reichen. Dieses Utopia, wo die Menschen nur noch sehr wenig für den Erhalt ihres Wohlstandes arbeiten müssen - weil alle anderen Resourcen unter ihnen bereits gerecht verteilt sind - steht also fest, die Frage ist eben nur was man tun muss um langfristig dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Alternative steht schon lange wie das Menetekel an der Wand geschrieben: Wenn das Ende der endlichen Ressourcen erschöpft sind war der Mensch noch nie darum verlegen seinen persönlichen Anteil durch Anwendung von Gewalt zu vergrößern. Und im Grunde machen das die Finanzmärkte doch genau so: Die Reichen werden immer reicher während die Weltwirtschaft stagniert.

Wie kann also der Übergang vom unbegrenzten Wachstum zum Gleichgewicht aussehen? Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass jeder arbeiten muss um Geld zu verdienen. Das ist sowieso eine Schwachsinnseigenschaft des Kapitalismus: In einer Krise werden viele Menschen arbeitslos, obwohl doch der weltweite Bedarf an Gütern und damit Wertschöpfung, gemessen an der Anzahl der Menschen sich nicht verändert hat. Auf der anderen Seite muss es natürlich auch immer noch Wertschöpfung und Innovation geben um eben die Grundlagen des Utopia überhaupt erst erschaffen zu können. Wenn Ethik keine Rolle spielen würde könnte man ja einfach den Fabrikarbeiter der nicht mehr gebraucht würde liquidieren um ihn vom Arbeitsmarkt zu entfernen. Wie das Avarell aus den Lucky Luke Comics so schön sagt: "Wenn unser Bruder nicht mehr im Gefängnis ist, dann sind sein Wasser und Brot ja auch frei". Was aber rein praktisch auch nicht funktioniert: Wenn der Fabrikarbeiter der nicht mehr arbeiten muss/kann/darf genauso gut gestellt wird wie diejenigen die eben noch zum Wohle der Gesellschaft arbeiten müssen weil das was Sie können der Fabrikarbeiter eben nicht kann. Und weil die Menschen eben verschieden sind auch nicht lernen können. Das ist auch ein ethisches Problem: Wenn die Weltbevölkerung schrumpft, wie passt man dann den Genpool auf die Zukunft an?

Im Grunde erleben wir ja diese Situation: Vor allem die Armen Afrikas und Asiens greifen zum einfachsten Mittel um ihre Zukunft zu sichern: Sie setzen Nachkommen in die Welt von denen sie erwarten dass sie aus ethischen Gründen von ihnen in der Zukunft versorgt werden. Wer sieben Kinder für sich anschaffen lassen kann hat es natürlich besser als derjenige der nur ein oder gar kein Kind hat. Das ist aber so einfach auf Dauer nicht tragbar. Punkt. Um dem entgegenzuwirken braucht es ein globales Wohlfahrtssystem dass jedem Menschen einen gesicherten Lebensstandard ermöglicht ohne dabei auf andere angewiesen zu sein - und am besten noch honoriert wenn die Fortpflanzungsrate sinkt. Auf der anderen Seite muss es sich aber immer noch lohnen, erfinderisch oder fleißig zu sein um weiteren Fortschritt zu erreichen, denn der ist entweder tatsächlich unendlich oder jedenfalls auf absehbare Zeit praktisch unendlich.

Als Seitenbemerkung könnte man hier noch anführen, dass es durch technologischen Fortschritt dazu kommen könnte, dass eine neue Phase exponentiellen Wachstums durch technologische Entwicklungen möglich gemacht wird - wenn eben die Menschheit einen Hyperraumantrieb entwickelt und sich von der Erde lösen kann. Angesichts der Dimensionen des Weltalls könnte das dann ziemlich lange dauern bis eine neue Wachstumsgrenze erreicht ist. Oder aber draußen stehen sich die Aliens schon gegenseitig auf den Zehen weil die die gleiche Idee hatten. Egal, im Moment ist aber nichts ersichtlich was Einsteins Formeln in Frage stellen könnte.

Die Aufgabe der Weltpolitik ist es dann schlichtweg, den Punkt zu finden der die psychologische Balance bildet zwischen dem Antrieb zur Selbstverbesserung und der persönlichen Trägheit. Denn je mehr von der persönlichen Wertschöpfung der Allgemeinheit zufließt, desto geringer wird der Anreiz eben diese Wertschöpfung zu betreiben. Mit anderen Worten: Wer will und kann, kann immer noch "reich" sein, aber eben nur so viel reicher, dass es sich noch lohnt reich sein zu wollen. Das lässt sich wohl nicht in absehbarer Zeit wegdiskutieren, dafür ist das viel zu tief in unseren Genen verankert.

Tja, und es ist wohl kein Zufall, dass in dem System die Finanzmärkte nicht mehr vorkommen. Die Welt braucht sie in Zukunft nicht und während sie in bestimmten Zeiten tatsächlich ein Wachstumsbeschleuniger waren, so lässt dieser Effekt schon jetzt deutlich sichtbar nach.

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Kommentare

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Christine am :

Hallo Stephan!
Ich muss sagen, du bist mir gehörig auf die Zehen getreten. Es ist zwar nur ein Teilaspekt, aber ich würde ihn gerne korrigieren, bzw dich eher zum prüfen der Tatsachen anregen.
Zunächst kann man sich die Statistiken anschauen von Geburten und Sterben. Da fällt eines auf: der Abstand ist hauchdünn. Bei manchen Städten ist die Sterberate sogar größer als die Geburtenrate.
In manchen Gegenden sind ganze Landstriche entvölkert. Dort müssen sich die Bürgermeister etc gute Strategien ausdenken, um junge Paare mit Kindern bzw Kinderwunsch in diese Regionen zu bekommen.
Das nächste ist mit unserem Durchschnitt von 2 Kindern hast du nur 2 Menschen auf der Erde ersetzt. Vermehrt hast du dich da noch nicht!
Worauf auch nicht geachtet wird: die Personen, die keine Kinder haben. Für jedes dieser Leben bräuchte es Ersatz, nur um die Anzahl zu halten.
Du hast die Afrikanischen Länder genannt. Schon mal nachgeschaut welche Sterblichkeit da herrscht?
China erntet gerade seine ein Kind Politik. Wenige junge müssen hier alte tragen. Endlich ist der Fehler angekommen. Nun sind 2 Kinder erlaubt.
Daraus hat zusätzlich resultiert, das es zuwenig weiblich Wesen gibt. Denn die waren eigentlich nicht erwünscht. Hat zur Folge, daß jede Frau bis zu 5 - 10 Männer haben könnte.
In erster Linie ist es so, je wohlhabend ein Paar ist, desto weniger Kinder wollen sie meist haben. (wobei das nicht immer die Norm ist)
Der grosse Knackpunkt ist, das wenige vieles haben wollen!
Solange die Grundlage nicht solide ist, sowie auch das Gerüst, wird das Gebilde irgendwann die Stabilität verlieren.
Dann braucht es wohl die Nachkommen, die klüger sind als wir!!

LG Christine

Stephan Brunker am :

Die Frage ist wirklich, um wieviel die Welt bereits jetzt überbevölkert ist und wieviel Arbeitskraft in Zukunft noch benötigt wird um die Bedürfnisse der Menschheit zu befriedigen. Ich behaupte einfach mal, dass es jetzt schon rein rechnerisch unmöglich ist, die gesamte Weltbevölkerung auf das Wohlstandsniveau der Industrieländer zu bringen. Also müssen wir entweder das Wohlstandsgefälle akzeptieren (und nötigenfalls mit Gewalt verteidigen) oder die Bevölkerung muss schrumpfen - was sie wie Du angeführt hast bereits teilweise schon tut. Rein aus dem Bauch heraus geschätzt sind zwei Milliarden statt sieben vielleicht ein gesunder Wert, da kann sich die Bevölkerung zweimal glatt halbieren oder anders gesagt: 0,5 Kinder pro Paar. Für die Erde als gesamtes gilt sogar: Je weniger, desto besser. Wie man dahin kommt sei mal dahingestellt.

Christine am :

Ich bin für eine sinnvolle Verteilung. Denn, wenn man deinen 0,5 These pro Kopf schon vor deiner Geburt gefolgt hätte, wärst du nicht da. Wie das biologisch funktionieren soll, mal ganz zu schweigen.
Was dem entgegensteht, ist ein biologisches Programm auf der einen Seite und zu viel Gier auf der anderen Seite.
Dieser Egoismus ist es, der sich nicht für Ressourcen interessiert. Du weisst selber, daß die wenigsten vorausschauend planen. Sich auch nicht mit der Zukunft beschäftigen. Wenn du weniger Kinder auf die Welt kommen lässt, heisst das noch lange nicht, daß die diese nötigen Eigenschaften besitzen! Es wird vielmehr so sein, das es dadurch noch Egoistische zugeht. Denn es werden dann kleine Prinzen und Prinzessinnen sein. Mit allem verwöhnt, ausser mit Rücksicht!
Es ist leider utopisch davon auszugehen, daß sich dann etwas in die positive Richtung tut! Wenn du allerdings, wenn schon Kinder, dich investiert, und sie zu verantwortungsbewussten, vorausschauenden Menschen. Ausgestattet mit einfühlsamen Herzen und Verstand, dann sind Chancen da, das sie Menschen mitreißen können! Investiere lieber in Qualität, als in dem Fall in 0,...Quantität!
Meine Kinder sind so, und damit habe ich wenigstens einen Anfang gemacht.

LG Christine

Brigitta am :

Guten Tag Herr Brunker,
Ich habe Sie gerade erst, auf der Suche nach anderen INTJ, entdeckt.
Nicht erst seit Corona oder seit dem Ansehen des Trailers, mache ich mir Gedanken zu diesen Themen. Das wär ja auch ein bisschen kurzsichtig ;-), wenn nicht sogar bedenklich!
Ich möchte aus Zeit- und Lustgründen nur ganz kurz etwas zum Thema Überbevölkerung schreiben. Natürlich kann man niemandem vorschreiben, ob und wieviele Kinder er zu haben wollen hat. Darum geht es primär ja auch nicht. Ich verstehe, was Sie meinen und teile Ihre Ansicht, sofern ich sie denn in ihrer Gänze verstanden habe.
Als Kind habe ich bereits beschlossen, dass es das Beste wäre, keine Nachkommen zu produzieren, wenn ich diesem Planeten etwas Gutes tun wolle. Es entspricht einfach meinem logischen Denken. Ich mag Kinder und ich hätte mich, wenn es das Leben und die Umstände es so gewollt hätten, dann eben für eine Adoption entschieden. Mein Mann und ich werden, um Leid zu lindern, auch immer ein Tier aus dem Tierheim holen und keines bei einem Züchter kaufen. Dies ist natürlich nur ein Vergleich, der hinkt und den mir mancher nachtragen könnte. Aber im Grunde trifft das für mich den Kern der Sache. Ich wünsche Ihnen Alles Gute, LG Brigitta

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