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Undank ist der Welten Lohn

Wenn ich hier davon rede dass ich in der letzten Zeit weitaus mehr Pech als Glück habe, dann habe ich durchaus im Hinterkopf dass ich hier von einem Bias beeinflusst werde. Also aufgrund meiner persönlichen Stimmung die Situation nur so empfinde während ein neutaler, außenstehender Beobachter dieses Pech so gar nicht verifizieren könnte. Auf der anderen Seite gibt es Ereignisse, die eindeutig negativ sind und denen einfach keine gleichwertigen positiven Ereignisse entgehenstehen. Ich glaube da bin ich Rationalist genug um das so beurteilen zu können.

Man könnte das auch so sagen: Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter in der Bibel würde meine persönliche Version der Ereignisse wohl so ausgehen dass ich das Überfallopfer rette, nur um danach von diesem hinterrücks überfallen und ausgeraubt zu werden weil er seine Verletzungen nur vorgetäuscht hat. Würde so jedenfalls prima passen. Heute hatte ich gleich zwei solcher Ereignisse die mich wirklich fragen lassen warum ich das alles überhaupt noch mache.

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für mich immer besonders stressig, weil es einen irrsinnigen Haufen Arbeit gibt. Die Monteure sind zwar im Urlaub, aber es muss noch alles bestellt werden was noch zu 2020er Preisen kommen soll, dann müssen die ganzen neuen Preise in das Planungsprogramm und die Verkaufsunterlagen eingepflegt werden, die Inventur muss erstellt werden und und und. Ich habe nicht umsonst im letzten Artikel geschrieben dass ich mir prompt Vorwürfe gemacht habe die Weihnachstage frei gemacht zu haben statt diese dafür zu nutzen den Stapel an dringenden Aufgaben zu verkleinern.

Jetzt sind wir zwar im Lockdown, aber das hindert das Telefon nicht daran, fröhlich weiterzuklingeln. Kurz nach zwölf Uhr Mittags habe ich ein Frau dran, die vor vier Jahren eine Küche von uns bekommen hat und jetzt geht das Kochfeld nicht mehr. Der Kundendienst sei schon vor zwei Jahren mal dagewesen und hätte das Kochfeld repariert, aber jetzt ginge gar nichts mehr und es würde nach verbrannter Elektronik riechen. Das ist schon alleine eine blöde Situation, weil ein Schaden an der Leistungselektronik bei einem Induktionskochfeld meist ein Totalschaden ist, die Küche aber praktisch noch neu ist und ich gleichzeitig aber derzeit keine Handhabe bei dem Gerätelieferanten mehr habe hier was auf Kulanz durchzudrücken. Alles was ich da machen konnte war der Kundin aus meiner Tasche einen Sonderpreis für ein Austauschkochfeld anzubieten denn es handelte sich damals um Lagerware und ich hatte noch welche da. Zumal die Kundin vorgebracht hat dass sie drei hungrige Kinder hätte die fragen wann das Essen fertig ist. Eine Neubestellung oder der Kundendienst würden ja mindestens eine Woche brauchen.

Also habe ich mit einem Seufzer meine dringende Arbeit auf die Seite gelegt, mir das Kochfeld in den Servicewagen gelegt und bin dort hin gefahren. Altes Kochfeld abgeklemmt (roch tatsächlich leicht nach verbrannter Platine) und ausgebaut, neues Kochfeld angeklemmt und eingebaut. Dann zuerst geprüft ob der Schutzleiter am Gehäuse durchgängig ist und dann die Sicherungen wieder eingeschaltet. Und was ist? Neues Kochfeld geht auch nicht. Eine weitere Prüfung ergab dann, dass nur eine Phase Strom hatte. Als ich dann das Anschlusskabel weiter bis zur Anschlussdose verfolgt habe, dann musste ich feststellen dass eine Phase in der Dose komplett durchgeschmort war. Da darf ich natürlich nicht ran, also musste ich der Kundin sagen dass sich da ein Elektriker drum kümmern muss. Und das Kochfeld wahrscheinlich gar nicht mal kaputt ist. Ich also alles wieder zurückgebaut und unverrichteter Dinge abgezogen. So wie die Sachen stehen, kann ich für meine Arbeit wahrscheinlich gar nicht mal eine Rechnung schreiben.

Kaum war ich wieder im Büro zurück, klingelt wieder das Telefon und eine Frau ist dran. Sie hätte einen Wasserschaden und es müsste dringend die Küche abgebaut werden damit man an die Wand drankäme. Weder war die Küche von uns noch die Frau Kundin, aber ich bin einfach viel zu gutmütig für diese Welt und mit einem Seufzer wieder meine Arbeit zur Seite gelegt, meinen Vater als Helfer rekrutiert und bin da hingefahren. Am Haus bin ich zuerst mal vorbeigefahren weil es etwas versteckt an der Straße lag und auch keinerlei Schnee geräumt war. Folglich bin ich die Einfahrt auch erst mal gar nicht hochgekommen, das ging nur mit Anlauf. Als ich dann die "Küche" gesehen habe - na ja. Ich bin jedenfalls voll in den Sarkasmus-Modus gegangen, anders hält man es sonst nicht aus. Ja, es gab Hängeschränke und Unterschränke und Geräte und die Frau sagte, sie hätte jemandem 200€ dafür bezahlt das zu montieren. Ich habe es mir nicht verkneifen zu können anzumerken, dass das auch so aussah. Ich habe genug mit Montagefirmen zu tun gehabt um zu wissen dass eine richtige Montage einer Küche in der Größenordnung das fünffache kostet. Auf der betroffenen Seite gab es einen Unterschrank mit Töpfen wo darüber das Kochfeld eingebaut war, dann kam die Spüle und am Zeilenende ein Geschirrspüler. Die Arbeitsplatte war nicht durchgängig, sondern es gab mehrere Teilstücke mit Lücken dazwischen. Die "Demontage" war auch schnell passiert, denn das Einzige was man losschrauben musste waren die Lüsterklemme am Herdanschlusskabel und die Wasseranschlüsse. Nachdem ich der Frau klargemacht habe, dass man zuerst mal die Schränke leerräumen muss.

Der Rest war eigentlich nur wegtragen, denn es stand wirklich nur so da. Die Spüle konnte man genauso wie das Kochfeld einfach nach oben aus der Arbeitsplatte ausheben. Von Abdichtung keine Spur. Hinter der Spülmaschine war ein Lüftungsgitter eingeklemmt, als ich das weggenommen habe ist die Spülmaschine nach hinten weggesackt weil von hinteren Stellfüßen keine Spur mehr da war und stattdessen ein Sammelsurium an Holzklötzchen diese Funktion übernehmen sollte. Der Herdanschluss selbst war nur noch kriminell. Es gab keine richtige Herdanschlussdose sondern nur eine Lüsterklemme, keinen Deckel dafür, nur jede Menge Isolierband, natürlich keine Zugentlastung, das Kabel an das Kochfeld war auch unzulässig mit der falschen Wärmeklasse und es gab auch keinen Berührungsschutz für das Kochfeld von unten.

Jedenfalls habe ich der Frau klar und deutlich gesagt dass ich das nicht wieder montieren kann. Küchenmontage ist ja was ganz anderes, da werden Schränke hingestellt und ausgerichtet, untereinander und mit der Wand verschraubt, die Arbeitsplatten eingepasst, mit Nut und Feder und Dichtkleber verbunden und auf den Schränken verschraubt, die Spüle entweder eingeklebt oder mit Klammern festgeschraubt und so weiter. Das war ja alles mit dem vorhandenen Schrott gar nicht möglich. Nur dass die Frau dann komplett durchgedreht ist. Ich hätte ja versprochen dass ich das wieder montieren würde, sie hätte ausdrücklich für Demontage und Montage angefragt .. eine ganze Tirade. Gipfelnd darin, dass ich ein Nepper und Betrüger wäre und sie meine Firma niemandem weiterempfehlen würde. Dass ich ihr trotz der angespannten Lage kurzfristig (am gleichen Tag!! Der Chef persönlich!! Wo überall sonst die Monteure im Weihnachtsurlaub sind!! Wo gibt es denn so was??) geholfen habe dass Sie mit ihrem Wasserschaden weiterkommt? Von Dankbarkeit keine Spur. Mein Vater hat dann darauf nur noch entgegnet, dass wir auf ihre Empfehlung verzichten könnten. Keine Ahnung ob ich da für die 1,5 Stunden Arbeit mein Geld bekomme ...

Ich hätte auf meine Eltern hören sollen. Die haben mich ja schließlich vorher gefragt ob die Küche von uns sei und warum ich das überhaupt machen würde "Hinterher meinen Sie immer, das sei nicht nötig gewesen". Aber ich bin halt so gutherzig und will niemanden hängen lassen. Nur frage ich mich langsam, ob diese Lebensstrategie nicht doch falsch ist. Meine Moralvorstellung sagt zwar was anderes und man hofft ja immer, dass gutes Handeln auf lange Sicht - in diesem Leben oder dem nächsten - belohnt wird, aber so langsam glaube ich nicht mehr dran.

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