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Denke an die Lösung, nicht das Problem

Und hier die Langversion zu meinem Leserbrief:

Das ist eines meiner Lieblingszitate (neben Wizards First Rule) von Terry Goodkind in seiner Sword of Truth Serie. Geradeeben sehe ich die Diskussion in der Sendung Hart aber Fair über den Klimaschutz und die Beteiligten beharken sich indem Sie sich die Probleme an den Kopf werfen. Jeder hat für den anderen ein passendes Problem, besonders gut fand ich als die junge Klimaaktivistin mit der Tatsache konfrontiert wurde, dass die Erde vielleicht gar nicht gerettet werden will (auch das ein Zitat, diesmal aus Die Unglaublichen). Wenn den Bürgern die Maßnahmen der Regierung nicht passen, dann wählen sie bei der nächsten Wahl einfach anders, nämlich eine Partei die behauptet es gäbe kein Problem - und das wäre die AfD. In der Runde ging es im Prinzip nur darum, wie man den Menschen den Verzicht am besten verkaufen kann ohne soziale Verwerfungen zu riskieren die aber dann zwangsläufig auftreten. Wenn es einen Grundsatz menschlichen Verhaltens gibt, dann diesen: Man kann dem Baby nicht den Lolli wegnehmen.

Vielleicht sollte man wirklich einfach mal über Lösungen nachdenken anstelle über Probleme zu diskutieren. Wir brauchen Lösungen, die den CO2-Ausstoß senken, und das zwar weltweit denn es nützt nichts wenn nur ein paar Länder klimaneutral werden und diese dann den weniger entwickelten das Recht auf Fortschritt wegreden wollen. Gleichzeitig muss die Energie aber irgend woher kommen, denn mit Effizienzssteigerungen alleine wird man nicht schnell genug weit genug kommen. Gerade bei der Mobilität und Produktion funktioniert Verzicht einfach nicht. Was unterscheidet denn unsere Gesellschaft vom Mittelalter? Eben die höhere Produktivität durch eine viel höhere Mobilität von Mensch und Material und einen höheren Energieeinsatz. Da lässt sich die Uhr einfach nicht mehr zurückdrehen. Das fing schon in der Steinzeit an, als die ersten domestizierten Tiere einen Acker schneller pflügen konnten als die Bauern mit der Hacke und den nächsten Riesensprung gab es als fossile Energieträgeer während der industriellen Revolution die Produktivität erhöht haben.

Schon jetzt kann man sehen, das es in diesem Spannungsfeld "die Lösung" gar nicht gibt. Es wird ebenfalls oft genug in der Fiktion zitiert, aber die Menschheit zurück in die Steinzeit zu bomben würde zwar funktionieren, dürfte aber kaum gewünscht sein. Die Grundproblematik bleibt aber: Eine Zurückentwicklung durch Verzicht kann höchstens auf privater Ebene funktionieren, eine ganze Gesellschaft bekommt man nicht friedlich zurückgestuft genauso wie es keine friedliche Unterdrückung gibt und hier soll ja die Lebensgestaltung massiv eingeschränkt werden. Der Witz an der ganzen Sache ist ja der, das viele der diskutierten Probleme ja gar keine wären, stände eine klimaneutrale Energiequelle in ausreichender Größe zur Verfügung. Es ist sogar so, dass mit genügend Energie ja sogar der Klimawandel durch CO2-Abscheidung rückgängig zu machen wäre. Welche Energiequellen stehen also zur Verfügung?

  • Solarenergie hat in unseren Breiten einfach das Problem, dass die Effekte in Relation zu den Kosten einfach zu gering sind. Außerdem gibt es das Grundlastproblem, also was tun wenn die Sonne gerade mal nicht scheint oder ganz überhaupt: Wohnungen müssen meistens dann geheizt werden wenn es wegen geringer Sonneneinstrahlung kalt ist. Wenn es nur um ein paar Stunden geht, dann könnte man ja noch Speicherkraftwerke dazunehmen, aber vom Sommer in den Winter geht das auch nicht.
  • Windkraft ist ein guter Ansatz, aber die für Windkraft zur Verfügung stehenden und gut erschließbaren Flächen sind begrenzt und der lokale Widerstand ist auch nicht zu vernachlässigen. Auch hier hat man wieder das Grundlastproblem.
  • Wasserkraft funktioniert immer, aber um den Preis eines hohen Landschaftsverbrauchs, und dieser wächst exponentiell zur installierten Leistung. Auch da dürften die besten Standorte schon lange weg sein.

Wahrscheinlich wäre man in Deutschland tatsächlich in der Lage, mittels Verzicht, Effizienzsteigerungen und unter sehr hohen Kosten alleine mit diesen Energieträgern klimaneutral zu werden (wenn wie gesagt die Wähler mitspielen), aber weltweit? wird das kaum funktionieren. Der Kernfusionsreaktor mag bei manchen auch noch im Hinterkopf herumspuken, die Technik ist aber extem komplex - schon alleine weil hier sehr heiße (Plasma) und sehr kalte (supraleitende Magnete) Elemente auf engstem Raum zusammen funktionieren müssen und vor 2050 ist an die Serienreife wohl kaum zu denken. Es muss also eine kurzfristig realisierbare, günstige und klimaneutrale Energiequelle her. Auch wenn es nicht so klingen mag: Es gibt sie (fast), in ausreichender Menge und weltweit. Es ist mein persönliches Steckenpferd: Der Flüssigsalz-Thorium-Brutreaktor.

Dieses Reaktorkonzept wurde schon vor über 50 Jahren erprobt, ist dann aber aus verschiedenen Gründen in der Versenkung verschwunden, vor allem weil es sich radikal von den klassischen Siede- und Druckwasserreaktoren unterscheidet. Diese verbrennen feste Uran-235 Brennstäbe mit Wasser als Medium und/oder Moderator. Schon alleine die Tatsache, dass U-235 etwa so selten ist wie Platin da es nur 0,7% des natürlich vorkommenden Urans ausmacht sollte da zu denken geben. Thorium ist dreimal so häufig wie Uran und damit etwa 4.000 mal so häufig wie U-235 und fällt noch dazu bei verschiedenen Prozessen als Abfall an. Damit man mit Wasser einen guten Wirkungsgrad bekommt, muss dieses sehr heiß sein und das geht nur unter hohem Druck, 200 bar oder so. Deshalb sind die Druckbehälter auch so groß und schwer und das Containment muss so ausgelegt sein dass es einem Druckbehälterversagen standhält.

Der Flüssigsalzreaktor benutzt keine festen Brennstäbe, sondern lässt den Brennstoff ein Salz bilden was bei Raumtemperatur fest ist und bei Betriebstemperatur flüssig. Und praktischerweise liegt diese Betriebstemperatur drucklos bei 500-600 Grad und ist damit ideal für einen guten Wirkungsgrad. Anders als das Natrium der metallgekühlten Reaktoren gibt es bei einem Leck auch keine agressive chemische Reaktion und bei Wassereinbruch passiert auch nichts. Es bietet sich sogar an einen Sicherheitsablass einzubauen der im Normalbetrieb gekühlt wird und im Notfall einfach schmilzt, das Salz fließt in einen Auffangbehälter, und ohne Moderator stoppt die Kettenreaktion sofort und je nach Design braucht man wegen der viel geringeren Spaltstoffdichte noch nicht einmal eine aktive Notkühlung. Das Salz erstarrt und kann dann auch nicht weg. Nach Behebung des Problems schmilzt man das Material wieder und pumpt es in den Reaktor zurück. Es gibt natürlich wie bei jeder neuen Erfindung noch ungelöste Probleme, aber das Konzept spricht ja für sich. Unter anderem ja auch, dass man mit diesem Konzept eben Thorium als Brennstoff benutzen kann dass mit im Salz gelöst wird und durch Neutroneneinfang zu Uran-233 wird was dann der eigentliche Brennstoff ist. Im Uranreaktor werden durch den Neutroneneinfang aus dem U-238 die verschiedenen Transurane die mit ihrer langen Halbwertszeit ja erst die Endlagerung so problematisch machen. Ein Konzept aus Dänemark passt in einen Schiffscontainer und läuft mit einem Müll-Brennstab aus dem klassischen Kraftwerk viele Jahre lang.

Wie bei vielen vergessenen Erfindungen hing es an verschiedenen Faktoren, vor allem weil bei den anderen Konzepten die US-Navy schnell Energiequellen für U-Boote und Flugzeugträger brauchte und die Entwicklung finanziert hat - und das ist die größte Hürde bei einer komplett neuen Technologie. Eines der Gegenargumente ist ja dass die Technologie nicht bewährt ist aber bei dieser Argumentation beißt sich die Katze ja in den Schwanz. Die US Airforce hatte zwar einen Versuchsreaktor der mit flüssigem Salz lief (die Idee dahinter war ein Reaktor, klein und leicht genug um ihn in ein Flugzeug einbauen zu können), die Forschung litt aber unter einem viel zu kleinen Budget was dann auch noch komplett gestrichen wurde. Es wurde aber demonstriert dass das Konzept funktioniert.

Es läuft praktisch völlig im Hintergrund ab, aber es hat jetzt schon fast ein Rennen um diese Technologie eingesetzt und damit haben wir auch einen für das Klima akzeptablen Zeitrahmen von etwa 2030 bis zur Serienfertigung. Vor allem China forscht massiv und hat wohl im nächsten Jahr zwei Versuchsreaktoren einsatzbereit, es gibt Konzepte die Fertigungstechniken aus dem Schiffsbau einsetzen und so weiter. Allen Konzepten ist gemein dass sie kompakt sind und dadurch schnell in großer Menge umsetzbar wären. Nur Deutschland ist dank des Atomausstiegs außen vor. Vielleicht sollte man einfach eine namentliche Volksabstimmung machen: entweder man ist für Verzicht und dreht im Winter die Heizung kleiner, zahlt mehr Steuern für den Sozialausgleich und macht die Weihnachtsbeleuchtung aus - oder man ist für diese neue Technologie und akzeptiert dafür salopp gesagt ein Reaktormodul im Hinterhof und ein Endlager im Keller. So ungefähr wird das vielleicht auch kommen, nur dass in diesem Fall eben andere Länder ohne Verzicht klimaneutral werden und die Deutschen in die Röhre schauen.

Warum denkt also im Moment öffentlich niemand in diese Richtung? Auf dem Weg bekommt man eine Energiewende ohne Verzicht und die damit einhergehenden sozialen Verwerfungen (nein, hier auf dem Land ist ein flächendeckender ÖPNV nicht realisierbar) hin. Und das auch nicht nur in den fortschrittlichsten Ländern sondern weltweit und hat auch noch Energie über um den Klimawandel umzukehren. Ich gebe zu dass es da noch ein paar kleinere Probleme wie die Gefahr der Proliferation, Korrosion oder der Tritiumfreisetzung zu lösen gibt aber im großen und ganzen ist das Konzept vielversprechend. Wenn man da auch nur einen Bruchteil der Mittel hineinsteckt die damals in das Manhattan-Projekt geflossen sind wäre das eine schnell verfügbare Überbrückungstechnologie.

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